: Atomausstieg fällt ins Wasser
■ HEW scheffeln Rekordgewinn und setzen weiter auf Atomkraftwerke, billigeren Strom für die Industrie und Arbeitsplatzabbau Von Heike Haarhoff
Der Atomausstieg existiert bloß auf dem Satzungspapier der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW): „Es gibt keinen Termin für die Stillegung der Kernkraftwerke“, entlarvte der HEW-Vorstandsvorsitzende Manfred Timm bei der gestrigen Bilanzpressekonferenz des Stromversorgers das hehre Unternehmensziel als Worthülse. Keine Rede mehr davon, daß der Atommeiler Brunsbüttel abgeschaltet werde, sobald ab 2003 Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken nach Hamburg fließe.
„Das war eine politische Forderung. Wir“, distanziert sich HEW-Sprecher Johannes Altmeppen von der Wahlkampf-Werbung des SPD-Umweltsenators Vahrenholt, „haben das nie behauptet.“ Die vertraglich vereinbarten Energielieferungen aus Norwegen entsprächen lediglich einem Zehntel der Strommenge, die Brunsbüttel erzeuge: „Die Kunden müßten also viel mehr sparen, um dieses Ziel zu erreichen.“ Zudem gebe es „keine wirtschaftlich vertretbare Alternative zu den AKWs“.
Für durchaus vertretbar hingegen hält es der Energie-Konzern, angesichts des guten Geschäftsergebnisses, die Strompreise zum 1. Juli erneut drastisch zu senken. Nur für die Industriekunden, versteht sich: „Einige zahlen – den Wegfall des Kohlepfennigs eingerechnet – künftig im Vergleich zum Vorjahr bis zu 35 Prozent weniger“, so Timm. Insgesamt spare die Hamburger Wirtschaft so 300 Millionen Mark. Daß Billigstrom zum verschwenderischen Umgang einlädt, bestreiten die HEW: Die Preissenkung sichere Arbeitsplätze und den Industriestandort. Hamburg gehöre aber weiter zu den bundesweit teuersten Stromanbietern.
1995 erzielten die HEW das beste Ergebnis ihrer Firmengeschichte: Der Überschuß stieg um 37 Prozent auf 103 Millionen Mark, der Umsatz kletterte um 1,5 Prozent auf 2,8 Milliarden Mark. Das Plus sei vor allem auf den erstmals wieder störungsfreien Betrieb der AKWs Krümmel und Brunsbüttel zurückzuführen.
Die Stadt Hamburg als Hauptaktionärin trägt den Profit davon: Die Dividende steigt auf 8,50 Mark (1994: 6,11 Mark) pro 50-DM-Aktie. Der geplante Verkauf des „auf Hochglanz polierten Tafelsilbers“ (Altmeppen) soll die leeren Staatskassen klingeln lassen. Zu Kaufinteressenten äußerten sich die HEW hingegen nicht. Trotz der guten Geschäftslage wollen die HEW – nachdem 1995 bereits 400 Jobs gestrichen wurden – bis Jahresende die Zahl der Beschäftigten „sozialverträglich“ um 300 auf 4900 senken. „Ausgelagert“ werden u.a. das Fuhrpark- und das Lagerwesen.
Ganz im Trend der Stromversorger setzen die HEW auf „Diversifizierung und Expansion“: Im Ent-sorgungs- und Telekommunikationsbereich wurden 1995 Tochtergesellschaften gegründet. „Wir streben eine Liberalisierung des Telekommunikationsmarkts an“, kündigt Altmeppen scharfe Konkurrenz an. Um „jenseits der Stadtgrenzen attraktiv“ zu sein, stehe eine Kooperation zwischen der HEW-Tochter „HanseNet“ und der Gelsenkirchener VebaCom „unmittelbar bevor“.
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