: Israel wartet auf die Große Koalition
Während der bisherige Regierungschef Peres mit dem Wahlsieger Netanjahu über eine geordnete Machtübergabe verhandelt, mehren sich die Rufe nach der nationalen Einheit ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Eine Woche nach dem knappen Wahlsieg Benjamin Netanjahus stehen in Israel die Zeichen auf Große Koalition. Gestern traf sich Netanjahu mit dem bisherigen Ministerpräsidenten Schimon Peres. Jossi Beilin, Peres-Berater im Ministerrang, meinte zuvor, es sei falsch, ein Angebot zu einer Großen Koalition abzulehnen – vorausgesetzt, Netanjahu mache „ehrenhafte Vorschläge“. Staatspräsident Ezer Weizman hatte bereits am Montag nach einem ersten offiziellen Gespräch mit Netanjahu erklärt, er würde bei der Bildung einer Koalition der nationalen Einheit behilflich sein.
Bei dem ersten Gespräch zwischen Netanjahu und Peres nach der Wahl ging es gestern um Einzelheiten einer geordneten Machtübergabe an die neue Regierung und dringende Fragen der Sicherheitspolitik. Dabei soll es keine ernsten Differenzen gegeben haben. In Jerusalem wird angenommen, daß bis zur Regierungsbildung eine enge Koordination zwischen den Vertretern der jetzigen Regierung und führenden Likud- Politikern aufrechterhalten wird.
Im Prinzip lehnen weder Peres noch Netanjahu eine Große Koalition ab. Netanjahu möchte jedoch zuerst eine Regierung mit den religiösen und anderen kleinen Parteien auf die Beine stellen und dann Verhandlungen über den Eintritt der Arbeitspartei beginnen. Peres meint, der Vorschlag für eine Regierungsbeteiligung der Arbeitspartei müsse von Netanjahu ausgehen.
Das Zustandekommen einer Großen Koalition befürworten auch der bisherige Finanzminister Abraham Schohat sowie Bauminister Benjamin Ben-Eliezer. Ein besonders enthusiastischer Förderer dieses Gedankens ist der ehemalige Stabschef und gegenwärtige Außenminister Ehud Barak – ein ausgesprochener Falke, der auch beim Likud Karriere machen könnte.
Der von Netanjahu zum Verhandlungsführer mit den kleinen Parteien ernannte Moshe Kazav warnte diese vor „exzessiven Forderungen“ und übermäßigen Ansprüchen auf Ministerposten. Diese könnten den Likud dazu bringen, die Bildung einer Großen Koalition vorzuziehen. An der könnten sich zwar auch die kleineren Parteien beteiligen, müßten sich jedoch dann mit weniger Beute zufriedengeben.
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