Jobs statt Mehrarbeit

■ Studie: Durch Überstundenabbau und mehr Teilzeit wären neue Jobs möglich

Düsseldorf (taz) – Elf Prozent aller abhängig Beschäftigten in Westdeutschland leisten Tag für Tag Überstunden. Von ihnen werden 53 Prozent aller geleisteten Überstunden erbracht. Die meisten der Überstundenklopper, die zum größten Teil über keine höheren Qualifikationen verfügen als viele Arbeitslose, würden gerne auf diese Mehrarbeit verzichten. Nur 15 Prozent von ihnen bleiben wegen des Zusatzverdienstes oder aus Spaß länger im Betrieb. Zieht man die von leitenden Mitarbeitern geleisteten Überstunden ab, dann ließen sich immer noch allein durch den Abbau der täglich geleisteten Überstunden bundesweit etwa 640.000 neue Vollzeitarbeitsplätze schaffen.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie des Kölner Instituts zur Erforschung sozialer Chancen (ISO), die jetzt der Düsseldorfer Arbeitsminister Axel Horstmann vorgestellt hat. Das Argument aus dem Arbeitgeberlager, Überstunden dienten vor allem dazu, um kurzfristig Auftragsspitzen abzufangen, hält Arbeitsminister Horstmann mit Blick auf die ISO-Studie – befragt wurden insgesamt 4.000 Beschäftigte – für „widerlegt“.

Große Beschäftigungsreserven böte auch die von vielen ArbeitnehmerInnen gewünschte Ausweitung der Teilzeitarbeit. So würden 8,4 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in NRW – das sind rund 420.000 Personen – der Studie zufolge gerne weniger arbeiten. Würden die Betriebe auf diese Wünsche eingehen, könnten allein dadurch in Nordrhein-Westfalen rund 135.000 Vollzeitarbeitsplätze entstehen.

Auf Bundesebene ließen sich durch die Gewährung der gewünschten Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 34,7 Stunden – statt der tatsächlich geleisteten 38,7 Stunden – rein rechnerisch 3,2 Millionen neue Vollzeitjobs schaffen. Natürlich geht diese Rechnung in der Praxis in diesem Umfang sicherlich nicht auf, aber 1,6 Millionen neue Jobs hält Horstmann für realistisch, wenn „überholte Denkmuster aufgegeben und neue Formen der Arbeitszeitorganisation gefunden werden“. Walter Jakobs