: Auch das sind unsere Kinder -betr.: Bürgerinitiative zur Verhinderung des Drogentherapiezentrums am Schwachhauser Ring
Betr.: Bürgerinitiative zur Verhinderung des Drogentherapiezentrums am Schwachhauser Ring
Gestern fand ich in meinem Briefkasten die Einladung einer Bürgerinitiative zur Verhinderung des Drogentherapiezentrums am Schwachhauser Ring: „Es gilt der sich abzeichnenden Entwicklung entgegenzuwirken, die Villen unseres Viertels verstärkt als Unterkünfte für Ausländer oder Drogenabhängige zu nutzen.“
Den Unterstützern dieser Initiative möchte ich folgendes Gedankenexperiment zu bedenken geben: Es schließen sich Leute zusammen, denen die zahlreichen chromblitzenden Fahrzeuge als Landschaftsverschandleung ein Dorn im Auge sind, die angesichts der Rassehunde befürchten, daß ihre Kinder gebissen werden könnten und zudem grundsätzlich eine Abneigung gegen wohlhabende Leute haben und massiv dafür eintreten, daß solche Leute nicht mehr in Schwachhausen wohnen sollen. – Was würde sich für eine Empörung breit machen, daß andere Bürger darüber bestimmen wollen, wer, wo und wie zu wohnen hat.
Den Mitgliedern der Initiative scheint es dagegen völlig selbstverständlich zu sein, daß sie bestimmen, welche Menschen wo wohnen können. Warum soll eigentlich den gutsituierten Menschen vorbehalten sein, in Villen zu wohnen? Meinen Sie, nur sie hätten das Sedürfnis, in einer schönen Gegend zu leben?
In dem Rundschreiben werden die Drogenabhängien und Ausländer als die „Kostgänger unserer Gesellschaft“ beschimpft. Den Asylsuchenden zuerst das Arbeiten zu verbieten und ihnen hinterher vorzuwerfen, sie hätten keine eigenen Mittel, wird in „unserer“ Gesellschaft leider nicht als Zynismus gesehen.
In der Versammlung wurde argumentiert, mit den zur Verfügung gestellten Sozialgeldern könnte man doch in billigeren Stadtteilen viel mehr erreichen. Es ist schon merkwürdig, daß plötzlich auch noch der Schein erzeugt werden soll, es ginge den Anwohnern um bessere Hilfeleistungen. Vorher haben sie sich keinen Deut darum gekümmert, wie effizient die Gelder ausgegeben werden – jetzt plötzlich, wenn in ihrer Nachbarschaft ein Therapiezentrum errichtet werden soll – fällt ihnen ein, daß man mit dem Geld woanders besser helfen könnte. Unterbindung eines Drogenzentrums auch noch als gute Tat zu verkaufen, ist ein mißlungener Versuch, die Herrlichkeit über andere Personen auch noch als Menschlichkeit zu verkaufen.
Wegen „unseren Kindern“ müsse das Zentrum hier verhindert werden (Gibt es in anderen Stadtteilen keine Kinder?). Man könnte diesen Titel „Kinder“ auch anders wenden: Unsere Kinder, die sich in dieser Gesellschaft nicht zurech-t gefunden haben, brauchen Institutionen, in denen sie eine Chance haben, von ihrer Selbstzerstörung Abstand zu nehmen. Daß die „Kostgänger unsere Gesellschaft“ irgend etwas mit der Art und Weise, wie diese Gesellschaft funktioniert, zu tun haben, wird geleugnet, und mit der passenden ideologischen Begleitung versehen, daß die Menschen, die aus der Gesellschaft herausfallen, selber schuld sind und damit auch jegliches Recht z.B. auf schönes Wohnen verloren haben.
Und „unsere Kinder“? Die sind ja sowieso nur solange „unsere“ Kinder, wie sie nicht vom rechten, sauberen Schwachhauser Pfad abgekommen sind, alle anderen sind eben nicht „unsere“ Kinder, sondern „Kostgänger“.
Christiane Koch
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