Tibets Dalai Lama spaltet die FDP

Auf Druck Chinas sperrt Außenminister Kinkel der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung Gelder für eine Tibet-Konferenz. Stiftungschef Graf Lambsdorff muß nun betteln gehen  ■ Aus Bonn Sven Hansen

Einen Tag vor dem heute in Karlsruhe beginnenden FDP-Bundesparteitag hat die chinesische Führung in Deutschland „chinafeindliche“ Kräfte ausgemacht. „In Deutschland gibt es bestimmte Leute, die immer dazu neigen, sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen“, erklärte gestern der Sprecher des Pekinger Außenministeriums, Shen Guofang. Gemeint ist damit unter anderem die FDP-nahe Friedrich- Naumann-Stiftung. Diese veranstaltet vom 14. bis zum 17. Juni in Bonn die 2. Internationale Konferenz der Tibet-Unterstützungsgruppen. Prominentester Gast ist der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter.

Um die Konferenz zu verhindern, hat Peking der Naumann- Stiftung mit der Schließung ihres Büros in China gedroht und beim deutschen Botschafter in Peking protestiert. Offensichtlich auf Druck aus China ließ Außenminister Klaus Kinkel (FDP) der Stiftung letzte Woche die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusamemnarbeit (BMZ) versprochenen Zuschüsse für die Konferenz von 290.000 Mark streichen. Dafür bekam er Lob von seinen chinesischen Amtskollegen: Shen Guofang würdigte die „klare“ Haltung der Bundesegierung in Sachen China. Die Naumann-Stiftung wirbt nun mit Anzeigen um Spenden für die der Konferenz.

„Wir sind nicht bereit, einem solchen Druck nachzugeben“, sagte der Vorsitzende der Stiftung, der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP), am Mittwoch. „Die Konferenz ist die originäre Aufgabe einer Stiftung, die sich für freiheitliche Politik und Menschenrechte einsetzt.“

Die Naumann-Stiftung veranstaltet das Tibet-Treffen gemeinsam mit der tibetischen Exilregierung im Bonner Wasserwerk, dem ehemaligen Plenarsaal des Bundestages. Zur Eröffnung werden der Dalai Lama, Graf Lambsdorff und die FDP-Politkerin und frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Irmgard Schwaetzer, sprechen. Die 260 Konferenzteilnehmer aus 53 Staaten wollen Strategien zur Wiederherstellung des Selbstbestimmungsrechts der Tibeter diskutieren.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Erdmann, erklärte gestern gegenüber der taz, die Bundesregierung könne „aus völkerrechtlichen Gründen eine Veranstaltung einer sich ,tibetische Exilregierung‘ nennenden Gruppierung nicht billigen, weil darin die Gefahr einer indirekten Anerkennung bestehe“. UN-Resolutionen verlangten, alles zu unterlassen, was eine Tolerierung von separatistischen Bewegungen beinhalten könnte. Erdmann verneinte, daß das Auswärtige Amt auf Druck Chinas gehandelt hätte.

Lambsdorff und die Naumann- Stiftung versuchen den Konflikt mit dem Auswärtigen Amt herunterzuspielen. „Wir verstehen, daß die Bundesregierung aus außenpolitischen Erwägungen keine finanzielle Unterstützung gewähren kann“, heißt es in einer Erklärung der Stiftung. Lambsdorff ließ jedoch durchblicken, daß er sich von Kinkel gewünscht hätte, die politische Unabhängigkeit der Stiftung gegenüber der chinesischen Regierung zu verteidigen. Er verwies darauf, daß der Begriff „tibetische Exilregierung“ auch in einem im April in den Bundestag eingebrachten Antrag aller Fraktionen enthalten sei. Laut Lambsdorff war der Antrag mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt worden, was dessen Sprecher Erdmann gegenüber der taz dementierte. Lambsdorff wollte als Parteipolitiker zum Konflikt mit Kinkel nicht Stellung nehmen. Bisher habe er allerdings nur unterstützende Reaktionen aus der Partei bekommen. Der Geschäftsführer der Naumann-Stiftung, Rolf Berndt, kündigte an, daß die Stiftung auf dem Parteitag um Spenden für die Konferenz werben wolle. FDP-Sprecher Hans-Rolf Goebel lehnte eine Stellungnahme zum Konflikt zwischen Kinkel und Lambsdorff mit dem Hinweis ab, es handel sich um eine reine Angelegenheit der Naumann-Stiftung.

Ein von der Heinrich-Böll-Stiftung für den 21. und 22. Juni geplanter „Sino-Tibetischer Dialog“ hat dagegen bisher keine Reaktionen in Bonn und Peking ausgelöst. Die Veranstaltung werde nur zu einem kleinen Teil aus Bundesmitteln finanziert, so Tsewang Norbu von der den Bündnisgrünen nahestehenden Stiftung. Dabei handele es sich um sogenannte Globalmittel und nicht um direkte Projektzuschüsse. Auf der Konferenz soll der Präsident des tibetischen Exilparlaments sprechen. Auch der chinesische Botschafter in Bonn sei eingeladen, habe bisher allerdings nicht reagiert. Der Druck des Auswärtigen Amtes auf die Naumann-Stiftung hat in Bonn ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Werner Schuster kritisierte die China-Politik der Bundesregierung.

Die Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Bündnisgrüne) warf der Regierung vor, vor China in die Knie zu gehen. Aus dem Umfeld ihrer Fraktion hieß es, es werde erwogen, zu Tibet eine aktuelle Stunde im Bundestag zu beantragen. Demgegenüber verteidigte der Vorsitzende der CSU-Bundestagsgruppe, Michael Glos, der sich gegenwärtig in China aufhält, die Politik der Bundesregierung. Über die Bonner Pressestelle seiner Partei ließ Glos verlauten, die deutsche China-Politik habe „eine Atmosphäre entstehen lassen, die es erlaubt, vertrauensvoll über alle Fragen zu sprechen“. Glos forderte Kinkel und das Auswärtige Amt auf, „sicherzustellen, daß die kluge und weitsichtige China-Politik des Kanzlers nicht durch unnötige Profilierung der Naumann- Stiftung gestört wird“. Am 11. Juli wird Kinkel zur Staatsvisite in Peking erwartet.