Ein Rahmenplan für Frieden in Nordirland

■ Am Montag beginnen die Allparteiengespräche – ohne Sinn Féin

Dublin (taz) – Es war wieder mal ein Eiertanz. Nach dreitägigen zähen Verhandlungen mit nächtlichen Telefonaten und transatlantischen Konsultationen haben die britische und irische Regierung einen Rahmenplan für die nordirischen Friedensverhandlungen zurechtgezimmert. Bis zum Schluß umstritten waren vor allem die Rolle des ehemaligen US-Senators George Mitchell und die Ausmusterung der IRA-Waffen. Mitchell soll nun die „Oberaufsicht“ über die Gespräche haben, die Ausmusterung der Waffen muß spätestens im September beginnen.

Mitchell und seine dreiköpfige Sonderkommission hatten im Januar einen Bericht vorgelegt, wonach die Allparteiengespräche und die Herausgabe der Waffen parallel stattfinden sollen, wenn alle Parteien zuvor der Gewalt abschwörten. Der britische Premierminister John Major warf den Bericht damals in den Ppierkorb und rief statt dessen nordirische Wahlen aus – ein alter Wunsch der Unionisten, von deren Stimmen er im Unterhaus abhängt. Als die IRA daraufhin ihren 17 Monate währenden Waffenstillstand aufkündigte, kramte Major den Mitchell-Plan wieder hervor und erklärte, die Wahlen dienten nur der „demokratischen Legitimation für die Allparteiengespräche“.

Doch war es ausgerechnet Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, der am stärksten bei den Wahlen vor acht Tagen zulegte – um mehr als die Hälfte auf rund 16 Prozent. Dennoch wird am Montag ihr Platz am Runden Tisch in Belfast leer bleiben: Vorbedingung für die Zulassung Sinn Féins ist ein erneuter Waffenstillstand der IRA. Der wird bis dahin nicht kommen – im Gegenteil: Nach dem vereitelten Anschlag auf die Londoner Hammersmith-Brücke im vorigen Monat muß man mit einer erneuten Attacke rechnen. Und in einer Presseerklärung vom Mittwoch abend sagte ein IRA- Sprecher, eine Waffenruhe sei zur Zeit „extrem unwahrscheinlich“. Darüber hinaus lehnt die IRA die Ausmusterung ihrer Waffen parallel zu den Gesprächen ab. „Wir wollen unsere Position in bezug auf die Herausgabe der Waffen ein für allemal klarstellen“, heißt es in der Erklärung. „Die IRA wird ihre Waffen weder durch die Vordertür noch durch die Hintertür ausmustern.“ Eine Entwaffnung könne nur Teil einer endgültigen Verhandlungslösung sein.

Offenbar will die IRA abwarten, wie sich die Gespräche entwickeln, bevor sie wieder einen Waffenstillstand erklärt, weil er – wie eine Sprecherin der taz sagte – „eine ganze Weile halten muß“. Bei einem erneuten Zusammenbruch der Waffenruhe wäre der Friedensprozeß endgültig gescheitert. Die IRA befürchtet, daß britische Regierung und Unionisten die Gespräche drei Monate verschleppen werden, bis im September erneut über die Ausmusterung der Waffen gesprochen wird.

Diese Prognose ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Unionisten, die für die Union Nordirlands mit Großbritannien eintreten, betonen bei jeder Gelegenheit, daß sie sich mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams nicht an einen Tisch setzen werden, solange die IRA noch über einen Schuß Munition oder ein Gramm Sprengstoff verfüge. Selbst Mitchell ist ihnen suspekt. Pfarrer Ian Paisley von der Demokratischen Unionistischen Partei bezeichnete Mitchell als „kleinen Papst“ und „Busenfreund von Gerry Adams“, weil sich der Ex- senator bei Präsident Bill Clinton dafür eingesetzt hatte, Adams ein US-Visum zu erteilen.

Adams hat sich damit abgefunden, daß er am Montag vor verschlossener Tür stehen wird. „Ich sage es mit Bedauern, daß es sich bei den Gesprächen, die am Montag beginnen sollen, nicht um richtige Allparteiengespräche handeln wird“, sagte er gestern. Die werden noch eine Weile auf sich warten lassen, falls kein Wunder geschieht. Ralf Sotscheck