piwik no script img

Tödliche Werbung für die Bundeswehr

■ Menschliches Versagen nicht ausgeschlossen: Der einzige Überlebende des Hubschrauberabsturzes in Dortmund schildert riskante Flugmanöver des Piloten

Dortmund (taz) –Der Absturz des Bundeswehrhubschraubers, der am Donnerstag in Dortmund 13 Menschen das Leben kostete, ist möglicherweise das Ergebnis eines riskanten Flugmanövers des Piloten. Während die Bundeswehr gestern einen Pilotenfehler dementierte, gibt es nach den Worten der Dortmunder Oberstaatsanwaltschaft dafür „tatsächliche Anhaltspunkte“.

Der einzige Überlebende der Katastrophe, der Tourmanager der Kultgruppe „DJ Bobo“, schilderte den Ermittlern, daß der Pilot die Maschine unmittelbar vor dem Absturz über einem Waldstück „steil hochgerissen“ und dann auch wieder „steil fallengelassen“ habe. Danach habe er einen Schlag gespürt. Offenbar hätten die Kufen einen Baumgipfel touchiert. Die Absturzstelle sieht nach den Worten von Oberstaatsanwalt Start aus, als sei der Hubschrauber „mit laufendem Motor an einem Baum heruntergerutscht“.

Seine Rettung verdankt der 27jährige Schweizer Tourmanager zwei beherzten Autofahrern, die den Absturz unmittelbar neben der A 45 beobachtet hatten und zur Absturzstelle geeilt waren. Zusammen mit dem Geretteten gelang es den Männern eine Tür aufzubrechen, durch die der Schweizer ins Freie gelangte. Zu diesem Zeitpunkt müssen weitere Menschen im Innern der Maschine gelebt haben, denn die Zeugen hörten „Schreie und Stöhnen“. Im Innern loderte eine Flamme und es roch nach Kerosin. Kurz darauf kam es zur Explosion.

Schon unmittelbar nach dem Start hatte der Copilot nach Darstellung des Geretteten über dem Dortmunder Westfalenpark ein ähnliches Manöver wie an der Absturzstelle vollzogen. Die Insassen hätten laut applaudiert. Daraufhin habe sich der Pilot umgedreht und gelacht. Ein Sprecher der Bundesluftwaffe „verwahrte“ sich gestern vor „Spekulationen“, der Pilot habe leichtfertig ein paar Kunststückchen vorgeführt. Zugleich bescheinigte ein Bundeswehroberst dem getöteten Piloten schon fehlerloses Verhalten: „Wir schließen menschliches Versagen aus.“ Bundesverteidigungsminister Volker Rühe bezeichnete den Piloten als „außerordentlich erfahren“. Er selbst sei mit ihm schon „wiederholt geflogen“.

Ein Teil der Opfer hatte den Todesflug am Donnerstag bei einer PR-Aktion der Bundeswehr zur Nachwuchsförderung auf der europäischen Jugendmesse „YOU“ in den Dortmunder Westfalenhallen gewonnen. Weil nur drei der sechs jugendlichen Gewinner pünktlich zum Abflug erschienen, waren der Tourmanager, der Drummer und ein zufällig vorbeikommender 17jähriger in die Maschine gestiegen. Neben dieser Gruppe befanden sich zwei Piloten, eine Bundeswehrsanitäterin und ein Reporterteam aus Essen an Bord. Walter Jakobs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen