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Banker für Bettel-Löhne

■ taz-Interview mit Norbert Walter von der Deutschen Bank: Löhne runter im Kampf gegen Arbeitslosigkeit

Berlin (taz) – Der Chefökonom der Deutschen Bank, Norbert Walter, will im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit die Löhne radikal kappen. Im taz-Interview sagte der Banker: „Ich glaube nicht, daß ein Bruttolohnabschlag von mehr als 20 Prozent nötig wäre, um wieder die Vollbeschäftigung zu erlangen.“ Zugleich propagiert Norbert Walter Löhne und Gehälter, die unter dem Existenzminimum liegen. „Heute arbeiten in vielen Haushalten zwei oder sogar mehr Menschen, und deshalb muß jedes einzelne Einkommen nicht unbedingt zum Leben reichen“, sagte er der taz.

Walter warf den Volksparteien und Gewerkschaften ein Beharrungsvermögen vor, das „in den letzten 40 Jahren immer wieder alte Strukturen verteidigt und erhalten“ hat: „Wir verteidigen in Deutschland ein Industriemuseum.“ Die Gewerkschaften seien „einfach nicht willens, die Entscheidungen mitzutragen, die erforderlich sind, um einen Strukturwandel zu bewirken“.

Die Teilnehmer der für kommenden Samstag geplanten Großkundgebung in Bonn gegen das Sparpaket der Bundesregierung bezeichnete er als Basatzungsmitglieder der Titanic: „Mir kommt Deutschland vor, wie das Modell des unsinkbaren Schiffes Titanic. Wir bauen das unsinkbare Schiff und tanzen darauf bis uns der Eisberg erwischt.“

Das Sparpaket der Bundesregierung gehe „in die richtige Richtung, denn der Umbau des Sozialsystems ist unumgänglich, wenn wir auch für die Zukunft gewährleisten wollen, daß den wirklich Bedürftigen geholfen werden kann“, so Walter.

Einen weiteren Konjunktureinbruch befürchtet Norbert Walter nicht. Es sehe so aus, „als ob die internationale Situation uns helfen könnte“. Die Zuwachsraten in den USA lägen bei etwa drei Prozent, zugleich sei der Dollar stärker geworden. Beide Entwicklungen, so der Deutsche- Bank-Manager, „geben uns die Chance, wieder einmal ein bißchen mehr vom internationalen Kuchen abzubekommen“. Im Inland müsse man allerdings „nach wie vor um die wirtschaftliche Situation zittern“. Interview auf Seite 12

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