: Stein auf Stein baut auch 'ne Stadt
■ Statiklehre statt gesellschaftlich verantwortungsbewußter Städtebau: Architektenausbildung in Hamburg wird abgeschafft Von Heike Haarhoff
Stein auf Stein muß genügen: Die Wissenschaftsbehörde will das Architektur-Studium an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) von einer eigenständigen Hochschul-Ausbildung mit Diplom-Abschluß und Promotionsordnung zu einem abgespeckten Postgraduiertenstudium degradieren. „Neustrukturierung aus finanziellen Gründen“ heißt der stadtentwicklungspolitische Rückschritt, den der Senat heute per Drucksache vollziehen will.
Geplant ist, die Integration von Kunst und Wissenschaft als zentraler Bestandteil einer Ausbildung, die nicht bloß technisch versierte, sondern vor allem städtebaulich-ästhetisch und gesellschaftlich verantwortungsbewußte Architekten hervorbringen will, abzuschaffen. Statt dessen sollen die angehenden Hamburger Häusle-Bauer künftig ihre rein handwerkliche Grundausbildung an der Fachhochschule oder der Technischen Universität Harburg absolvieren. Anschließend, aber nicht zwingend, dürfen sie sich den letzten Schliff an der HfbK holen.
Seit 27 Jahren werden Architekten an der HfbK nach universitärem Lehrplan-Muster ausgebildet: Grundstudium, Vorexamen, Hauptstudium, Diplom, eventuell Promotion. Die Regelstudienzeit beträgt zehn Semester. Unterrichtet werden neben technischen Fächern auch Baugeschichte, Akustik und Stadtplanung. Gerade diese Kurse „sollen nun auf das Niveau einer Sommerakademie“ reduziert werden, fürchtet HfbK-Professor Hans Thalgott. Denn künftig, das bestätigt Behörden-Sprecher Tom Janssen, sind „die künstlerischen und soziologischen Aspekte der Ausbildung ein Zusatz“.
Angesichts der Haushaltskrise müsse auch im Wissenschaftsbereich gespart werden, zum Beispiel bei den zwei Millionen Mark Personalkosten, die nach Auskunft von HfbK-Sprecherin Barbara Riecke der Fachbereich Architektur jährlich verschlingt. „Doppelungen müssen vermieden werden“, argumentiert Janssen. Die Studierenden müßten für ihre Grundausbildung eben auf die verschulte Fachhochschule ausweichen, die ja auch Architektur anbiete. Daß damit der Ansatz der HfbK ausgehebelt wird und viele Studierende aus Geld- oder Zeitzwang auf ein – gewöhnlich BaföG-freies – Zusatzstudium verzichten, will Janssen nicht sehen. Auch nicht, daß sich schon heute mehr als elf BewerberInnen um einen der begehrten 70 jährlichen NC-Studienplätze drängeln, der Ausbildungsnotstand sich also bloß räumlich verlagert.
HfbK-Präsidentin Adrienne Goehler eilte gestern aufgebracht zu Senator Leonhard Hajen. Wenn schon Reform, dann bitte unter Mitwirkung der HfbK. Das „künstlerisch-profilierte Architekturstudium unter Beibehaltung des akademischen Abschlusses“ müsse bewahrt bleiben. Doch die Behörde setzt auf eine externe Sachverständigenkommission. Die soll bis Jahresende untersuchen, in welcher Form – als Weiterbildung oder Aufbaustudium – Architektur verschandelt werden soll.
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