: Heiliger Rattenfänger
Keeper Roy und Verteidiger Krupp, die Matchwinner bei Colorados Stanley-Cup-Sieg gegen Florida ■ Von Matti Lieske
Berlin (taz) – Zwar schoß Verteidiger Uwe Krupp in der dritten Verlängerung des vierten Matches gegen die Florida Panthers jenes Tor, das Colorado Avalanche den Stanley Cup brachte, der unbestrittene Held der Fans in Denver war jedoch Torhüter Patrick Roy. Seine phänomenalen Paraden hatten das Team in den Play-off-Runden gegen Vancouver, Chicago und Detroit gerettet, und auch in der Finalserie sorgte „St. Patrick“ dafür, daß der Triumph von Colorado mit 4:0 Siegen und 15:4 Toren erheblich klarer ausfiel, als es dem Verlauf der Matches entsprach. „Er ist der größte Torwart in der Geschichte des Stanley Cup“, jubelte Trainer Marc Crawford.
Dabei war Roy im letzten Dezember keineswegs freiwillig nach Denver gekommen. Nachdem er gegen die Detroit Red Wings neun Tore kassiert hatte, war er von den Montreal Canadiens, jener Mannschaft, mit der er zwei Stanley Cups gewonnen hatte, schlicht vor die Tür gesetzt worden. Todunglücklich verließ Roy damals den geliebten Klub, bei dem er eigentlich seine Karriere beenden wollte. Pierre Lacroix, Manager des Unternehmens aus Denver, das sich gerade von den Quebec Nordiques in die Colorado Avalanche verwandelt hatte, schlug sofort zu. Vorher hatte er durch die Verpflichtung des 33jährigen Trainers Crawford sowie der Spieler Krupp, Lefebvre und Claude Lemieux bereits entscheidende Weichen gestellt, um den Klub zu einem Topteam der NHL zu machen; was noch fehlte, war ein herausragender Keeper. Um die Motivation von Roy brauchte er sich nicht zu sorgen: „Wenn ein Klub wie Montreal dich aufgibt, willst du zeigen, daß du immer noch gutes Hockey spielen kannst.“
Dies bewies der 30jährige auch in den ersten drei Partien der Finalserie, die Colorado mit 3:1, 8:1 und 3:2 für sich entschied. Das vierte Match in Miami geriet endgültig zum Privatduell zweier exzellenter Torhüter. Roy gelangen 63 Paraden, John Vanbiesbrouck, der maßgeblich am Play-off-Erfolg der Panthers beteiligt war, stoppte den Puck 56mal. Es war das erste Finalspiel seit 1954, das nach der regulären Spielzeit 0:0 stand, und auch die ersten beiden Verlängerung endeten torlos. Als das Match bereits 104:31 Minuten dauerte, kam der große Augenblick des Uwe Krupp. Nach einem Bully fiel ihm die Scheibe vor den Schläger, und er jagte sie mit einem vehementen Schlagschuß ins Netz. „Er flutschte irgendwie durch“, ärgerte sich Vanbiesbrouck, und Krupp selbst meinte: „Ich habe versucht, alles in diesen Schuß hineinzulegen. Irgendwie hat er seinen Weg gefunden.“ Für Krupp war es die Krönung einer elfjährigen NHL- Karriere, die Anfang der Saison fast schon beendet schien, als er sich einen Kreuzbandriß zuzog. Was der Treffer von Miami wert ist, weiß Profi Krupp genau: „Der Stanley Cup verlängert die Karriere hier noch ein paar Jahre.“
In der Halle von Denver, wo die Partie auf einer Leinwand übertragen wurde, brach das Publikum beim Siegtor in wilde „Juwi! Juw!“-Sprechchöre aus, während die Zuschauer in Miami alle verbliebenen Plastikratten, die eigentlich für Tore ihres Teams vorgesehen waren, aufs Eis schleuderten. Seit Panthers-Verteidiger Scott Mellanby vor einem Spiel eine Ratte mit seinem Schläger erschlagen und danach zwei Tore geschossen hatte, pflegen die Fans Treffer des Heimteams dadurch zu feiern, daß sie dem gegnerischen Keeper haufenweise Nachbildungen der kleinen Tierchen zuwerfen. Das Publikum in Denver hatte im übrigen mit einem Hagel von Mausefallen gekontert.
Trotz ihrer Chancenlosigkeit im Finale waren auch die Panthers mit dem Erreichten zufrieden. „Sie haben so gut gespielt wie sie können“, lobte Coach Doug MacLean seine Spieler, und Kapitän Brian Skrudland ergänzte: „Wir sind ein ganz schön stolzer Haufen.“ Im Halbfinale hatte man immerhin die berühmten Pittsburgh Penguins ausgeschaltet. Mehr kann man kaum erwarten von einem Team, das erst seit drei Jahren existiert.
Neben Patrick Roy und Uwe Krupp gab es bei Colorado noch einen dritten Spieler, für den der Stanley-Cup-Gewinn eine Genugtuung besonderer Art bedeutete: Stürmer Joe Sakic, der zum besten Akteur der Play-offs gewählt wurde. Bei seinem NHL-Debüt 1988 wurde sein Talent mit dem von Wayne Gretzky verglichen, seither hatte er es aber nur zu einem WM-Titel 1994 mit Kanada gebracht – eine Errungenschaft, die in Nordamerika kein Schwein interessiert. „Der anonymste Superstar der Liga“ wurde Sakic genannt, bis er in den diesjährigen Play-offs mit 18 Treffern den Rekord um nur ein Tor verfehlte. „Jetzt bin ich endlich ein Gewinner“, freute sich der 26jährige.
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