: Mainstream-Pop meets Zulu-Soul
■ „Roots-Night“ im Schlachthof: Die südafrikanische Sängerin Busi Mhlongo mischte den Charme einer afrikanischen Stammesfürstin mit Pop-Allüren
Zuerst war es unvorstellbar, daß die stolze, mit kraftvoller Stimme singende Afrikanerin, die auf der Bühne des Schlachthofs schon mit den ersten tänzelnden Bewegungen alle Aufmerksamkeit auf sich lenkte, vor vielen Jahren ihre internationale Karriere mit dem Hit „My Boy Lollipop“ begann. Zwischen ihrem rhythmischen, energischen Gesang in Zulu und dem ganz und gar westlichen Teenie-Schlager schienen Welten zu liegen. Aber wenn man sich ein wenig darauf konzentrierte, was ihre Band bei der jüngsten „Roots-Night“ im Schlachthof spielte, wurde schnell deutlich, daß dieser Widerspruch auch heute noch in der Musik von Busi Mhlongo zu finden ist.
Denn die Instrumentierung und Arrangements erinnerten stark an westliche Popbands. Bei vielen Harmonien und Übergängen kann man die Einflüsse sogar genau auf den jazzig-süffigen Sound der amerikanischen Westcoast festlegen. Hierbei merkt man, daß Busi Mhlongo 22 Jahre lang außerhalb ihres Heimatlands Südafrika Musik machte und – z.B. als Leadsängerin der Gruppe Osibisa – gelernt hat, die afrikanischen Einflüsse mit Soul, Rock und Jazz zu mischen.
Daß alle Musiker ihrer Band aus Südafrika stammen, war kaum zu hören. Bassist, Keyboarder, die Gitarristen und Perkussionisten waren gut aufeinander eingestimmt und spielten auf hohem internationalen Niveau, aber in Los Angeles, Paris oder London hätte sich die Sängerin ein fast identische Band zusammenstellen können. Nur die beiden pummeligen Backgroundsänger, die sich zudem als Tänzer mit überraschender Grazie bewegten, scheinen eine besondere afrikanische Spezialität zu sein.
Busi Mhlongo selbst wirkte dagegen wie ein afrikanische Stammesfürstin. In einer traditionellen Tracht mit einem Totemstab in der Hand und majestätisch wirkenden Tanzschritten hatte sie eine sehr eigenwillige Bühnenpräsenz. Und als sie das zuerst sehr zurückhaltende Publikum mit einem halb enttäuschten und halb provokativen „Do you dance at all?“ zum Tanzen aufforderte, bekam man eine Ahnung davon, daß man ihr besser nicht die gute Laune verdirbt. Diese Kraft war auch in ihrem Gesang zu spüren, besonders wenn sie in die Kopfstimme wechselte, ohne dadurch an Intensität zu verlieren oder wenn sie über dem Rhythmusteppich der Band in wilden Koloraturen improvisierte. Manchmal machte sie sich wohl auch ein wenig über ihr weißes Publikum lustig – etwa wenn sie es Textzeilen in Zulu nachsingen ließ, die die wenigen der Sprache Mächtigen im Saal in lautes Lachen ausbrechen ließen. Was hätte sie wohl gemacht, wenn wir als Zugabe „My Boy Lollipop“ verlangt hätten ?
Willy Taub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen