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Grünes Licht für Wahltermin in Bosnien erwartet

■ Sechs Monate nach dem Dayton-Abkommen: Konferenz in Florenz zieht Bilanz

Genf (taz) – Die Bedingungen und der Termin für „freie, faire und demokratische Wahlen“ in Bosnien sind das beherrschende Thema bei der heute in Florenz beginnenden zweitägigen Bilanzkonferenz zur Umsetzung des Dayton-Abkommens, sechs Monate nach seiner Unterzeichnung. Vertreten sind die Außenmininister von 42 Staaten sowie führende internationale Organisationen, die Anfang Dezember in London an der ersten Bosnien-Wiederaufbaukonferenz teilgenommen haben.

Zum Auftakt der Konferenz werden zunächst der amtierende EU-Präsident, Italiens Außenminister Lamberto Dini, der Koordinator für den Wiederaufbau Bosniens, Carl Bildt, sowie Kommandeure der Ifor ihre Einschätzung der Lage vortragen. Sie dürften, nach ihren bisherigen Äußerungen zu urteilen, für den Wahltermin am 14. September plädieren. Daran anschließend werden die UNO- Flüchtlingshochkommissarin Sadako Ogata, der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Cornelio Sommaruga, und der der UNO-Hochkommissar Ayalo Lasso vermutlich äußerst kritische Beurteilungen der Bedingungen für Wahlen abgeben. Ogata hatte bereits Anfang Januar auf einer UNHCR-Konferenz in Genf der Erwartung widersprochen, daß bis Ende Dezember 900.000 der 2,85 Millionen bosnischen Flüchtlinge und innerhalb des Landes Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren können. Bislang sind erst 10.000 Flüchtlinge und 60.000 intern Vertriebene wieder an ihrem Heimatort.

Für Freitagmorgen ist das Referat des OSZE-Vorsitzenden und Schweizer Außenministers Flavio Cotti vorgesehen, auf den sich das größte Interesse richtet. Nach Angaben aus seiner nächsten Umgebung will Cotti aber „auf keinen Fall den von der Clinton-Administration, einigen EU-Außenministern sowie dem Koordinator Bildt geäußerten Erwartungen nachkommen und bereits in Florenz grünes Licht für den Wahltermin 14. September geben. Nach dem OSZE-Fahrplan soll der Chef der OSZE-Mission in Bosnien, der US-Botschafter Frowick, seine Empfehlung für den Wahltermin (die mit Sicherheit für den 14. September ausfallen wird) in der ersten Junihälfte geben. Nach Konsultationen mit dem Ständigen Rat der 53 OSZE-Botschafter in Wien sowie mit Koordinator Bildt will Cotti seine Entscheidung dann bis Ende des Monats verkünden. Unter dem Druck der Clinton-Administration ist Frowick, der nach Cotti reden wird, inzwischen allerdings von diesem Fahrplan abgerückt und hat versucht, den OSZE- Vorsitzenden zu einer frühzeitigeren Entscheidung zu drängen. Damit alle Beteiligten das Gesicht wahren können, wird im Schlußkommuniqué des Florenzer Treffens lediglich der Satz stehen, die „Konferenzteilnehmer streben den 14. September als Wahltermin an“.

Zum Schluß der Konferenz stehen die Themen „Rüstungskontrolle“ und „wirtschaftlicher Aufbau“ auf der Tagesordnung. In fünfmonatigen Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der OSZE in Wien hatten sich Kroatien, Serbien, Bosnien sowie dessen Teileinheiten „Serbische Republik“ und „muslimisch-kroatische Föderation“ auf Obergrenzen für fünf Kategorien schwerer Waffen geeinigt. Doch die ursprünglich für Dienstag dieser Woche in Oslo geplante Unterzeichnung des Abkommens platzte wegen der Forderung der bosnischen Serben, in der Präambel des Abkommens als „Republika Srpska“ gleichberechtigt mit dem Staat Bosnien-Herzegowina aufgeführt zu werden. Die Regierung in Sarajevo besteht jedoch auf der Formulierung des Dayton-Abkommens, in dem nur Bosnien, Kroatien und Serbien als souveräne Staaten genannt werden, die „Republika Srpska“ und die „muslimisch-kroatische Föderation“ jedoch lediglich als „Einheiten“ innerhalb Bosniens. Am Rande der Konferenz in Florenz soll nun versucht werden, eine Lösung zu finden.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau geht viel langsamer voran, als auf der Londoner Konferenz im Dezember noch verkündet worden war. Von den 1,8 Milliarden US-Dollar, die die internationale Staatengemeinschaft für Wiederaufbaumaßnahmen im Jahre 1996 zugesagt hat, stehen bislang erst rund acht Prozent zur Verfügung. Wiederaufbaumaßnahmen in der „Serbischen Republik“ sind derzeit noch völlig blockiert, weil die Führung in Pale die Kooperation mit der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung so lange verweigert, wie diese Banken, wie in Dayton vereinbart, alle Gelder über die Regierung in Sarajevo leiten. Andreas Zumach

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