: Raus aus dem Arbeitgeberverband!
Verbände der Bauindustrie und des Baugewerbes beschließen Austritt zum Ende des Jahres. Druckmittel, um auf den Baustellen Mindestlohn für ausländische Beschäftigte durchzusetzen ■ Von Hannes Koch
Berlin (taz) – Das Lager der Unternehmer bröckelt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen gestern zwei Fachverbände, am Jahresende die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zu verlassen. Die Arbeitgeber der Bauwirtschaft kehren ihrer Zentrale den Rücken, weil diese den Mindestlohn für Bauarbeiter ablehnt. „Die Grenze des Erträglichen ist erreicht“, sagte Dissidenten-Sprecher Heiko Stiepelmann vom Hauptverband der Bauindustrie.
Der Hauptverband vertritt rund 4.500, meist größere Bauunternehmen. Der ebenfalls abtrünnige Zentralverband des Deutschen Baugewerbes repräsentiert etwa 60.000 Betriebe vornehmlich des Handwerks. Beide Organisationen sehen ihren Austrittsbeschluß als Druckmittel. Martin Keune, Sprecher des Zentralverbands: „Die Tür ist noch einen Spalt geöffnet.“ Falls die BDA den Mindestlohn in den kommenden Monaten akzeptiere, werde man wieder eintreten.
Die Bauarbeitgeber hatten Mitte April in Tarifverhandlungen mit der Industriegewerkschaft Bau den einheitlichen Mindestlohn auf deutschen Baustellen beschlossen. Danach stünden Beschäftigten aus den Ländern der Europäischen Union ab Dezember diesen Jahres 18,60 Mark auf westdeutschen Baustellen und ab 1. April 1997 ein Mindestlohn von 17,11 Mark in Ostdeutschland zu. Die Mindestbezahlung soll verhindern, daß ausländische Bauarbeiter die teureren deutschen Beschäftigten verdrängen. Der Mindestlohn kann aber nicht in Kraft treten, weil die BDA die notwendige Zustimmung zur „Allgemeinverbindlichkeit“ nicht abgeben will.
Die Mitgliederversammlung des Hauptverbands der Bauindustrie entschied sich gestern in Bonn mit „großer Mehrheit“ für den Austritt. Einige Stimmen für den Verbleib in der BDA kamen wohl in erster Linie aus den ostdeutschen Mitgliedsverbänden, darunter vor allem Sachsen. Auf der Mitgliederversammlung des Baugewerbes votierten 808 FirmenvertreterInnen für und 139 gegen den Austritt. Ein Ost-West-Gefälle habe er bei der Abstimmung nicht feststellen können, meinte Verbandssprecher Keune gestern. In den vergangenen Tagen hatten sich jedoch viele ostdeutsche Bauhandwerker gegen den geplanten Austritt gewehrt. Hintergrund der Kontroverse: Westdeutsche Unternehmen stehen ökonomisch besser da und haben deshalb mit dem Mindestlohn weniger Probleme. Östlich der Elbe hingegen können sich viele Firmen den Tariflohn schlicht nicht leisten, wenn sie überleben wollen.
Für die kommenden Monate ist nun mit einer regen Verhandlungstätigkeit zu rechnen. „Wir hoffen, daß die beiden Verbände zurückkommen“, meinte Jörg Zwane, Sprecher der Bundesvereinigung der Arbeitgeber. Zu einer möglichen Kompromißlinie beim Mindestlohn wollte er gestern nichts sagen, doch sie deutet sich bereits an. VertreterInnen der verschiedenen Verbände nennen immer wieder rund 15,50 (Ost) und 17 Mark (West). Doch nicht nur die Bundesvereinigung der Arbeitgeber müssen die Bauunternehmer bearbeiten, auch mit der Gewerkschaft stehen neue Verhandlungen über einen niedrigeren Mindestlohn ins Haus. Bislang weigert sich IG- Bau-Chef Wiesehügel allerdings noch, den Bundesarbeitgebern Zugeständnisse zu machen.
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