: „Wir sind hier eben in Finkenwerder“
■ Eloquente Sprachlosigkeit auf der Anhörung zur Dasa-Werkserweiterung Von Heike Haarhoff
Seine Bewegungen sind nicht grazil, wie er da oben schlaksig auf dem Stuhl herumhampelt, auf dieser Schul-Bühne vor 200 ZuschauerInnen in Finkenwerder. In der einen Hand das Mikrophon, das seine Stimme immer wieder im Stich lassen wird, in der anderen dieser unsägliche Zeigestock, der nie lang genug ist, um konkrete Punkte auf den bunten Wand-Plänen festzumachen.
Und doch gibt Tilo Foeth, vor und nach dieser mittwöchlichen Abendveranstaltung Bauleitplaner der Stadtentwicklungsbehörde, alles, um die beabsichtigte Erweiterung des Dasa-Werksgeländes „der Öffentlichkeit“ anschaulich zu erklären. Das ist nach dem Baugesetzbuch auch seine Aufgabe, und die der weiteren neun Experten auf der Bühne übrigens auch. Doch was die Herren aus Wirtschaftsbehörde, Stadtplanungsausschuß Mitte und TÜV Rheinland zu vermitteln versuchen, interessiert die ZuhörerInnen nicht die Bohne. Sie wissen bereits, daß der Airbus-Hersteller 35 Hektar Natur südlich des Neßhauptdeichs mit Lärmschutzhallen und Flugzeugparkplätzen zupflastern will. Was sie wirklich bewegt, ist, ob sie nach mehr als 25 Jahren Protest gegen die Verkehrslawine ins Alte Land endlich eine Umgehungsstraße kriegen. „Das Beiblatt dazu haben wir vergessen“, gesteht Tilo Foeth. Pfiffe. Hubert Piske, Diskussionsleiter, will besänftigen: „Darüber reden wir sowieso erst Ende August“.
Doch die Menschen im Saal lassen sich nicht abwürgen: Die Schlangen vor dem einzigen Mikrophon werden immer länger. Irgendwann packt ein tätowierter Grauhaariger in den vorderen Reihen sein eigenes Megaphon aus: „Ihr habt uns schon zu lange reingelegt! Keine Werkserweiterung!“ Sein dröhnendes Stimmvolumen läßt das Mikrophon verstummen. Hubert Piske hat „so was noch nicht erlebt“. – „Wir sind hier in Finkenwerder!“, schallt es zurück. – „Ihr Name, bitte, für das Protokoll!“ – „Mich kennen hier alle, fragen Sie doch meinen Uwe!“
„Mein Uwe“ ist Ortsamtsleiter Hansen und mittlerweile dunkelrot angelaufen: „Ich verbitte mir doch, geduzt zu werden“. Also bleibt der Name ein Rätsel: „Ich kenne nur seinen Spitznamen“, neigt die Sitznachbarin den lila-weiß schimmernden Dauerwellenkopf an mein Ohr, „aber den sage ich Ihnen nicht, weil der unanständig ist.“
Dann folgt die einsichtige Tour: „Die Arbeitsplätze brauchen wir ja hier“, flüstert eine Zuhörerin. Deshalb sei man gewillt, die Natur zu opfern, wenn, ja wenn im Gegenzug die Straße kommt. Daß die Dasa längst versichert hat, der Ausbau werde keinen einzigen neuen Job bringen; im Gegenteil würde das Dolores-Programm knallhart durchgezogen, ist auch bekannt. Sich das aber einzugestehen, ist unerträglich.
Immer wieder kommen ähnliche Bedenken: Zu viele Autos, zu viel Lärm, auch durch die Werkserweiterung. „Wollen wir niiiiiicht!“, verkündet der Megaphon-Mann. Den Dezibel-Zahlen auf den knisternden Folien, die das Gegenteil behaupten, glaubt man nicht. Den Prognosen der Baubehörde zum Verkehrsaufkommen übrigens auch nicht. Irgendwann ist der Lärm-Gutachter tierisch genervt: „Rasenmäher und spielende Kinder haben wir natürlich nicht miteingerechnet. Es könnte also in der Tat lauter werden.“
Das aber ist überhaupt kein Problem, versichert Herr Taminga aus der Wirtschaftsbehörde. Die Öffnung der Alten Süderelbe, belegen die wilden Zahlenspiele nach dem „Staatsrätemodell“, ist ja so ungeheuer wertvoll, daß sie eigentlich jeden Eingriff in die Natur wettmacht: Altenwerder, Dasa, Fluglärm...
Das ist der Einsatz für den Megaphonisten: „Ihr macht hier nur die Umwelt kapuuuuttt“, hallt es noch, als man sich im Saal verabschiedet: „Also dann bis Ende August.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen