: Bund: Schutz vor Lohndumping illegal
■ Töpfer: Tariflohn für alle widerspricht EU-Recht
Die Beschäftigung ausländischer Billiglohnarbeiter auf Berlins Baustellen sorgt für Spannungen zwischen Bonn und Berlin. Die Bundesregierung unternimmt nichts dagegen, daß bei ihren Berliner Bauvorhaben Billigarbeiter beschäftigt werden – und fühlt sich damit völlig im Recht. Berlin und Brandenburg dagegen verpflichten Unternehmen, die in öffentlichem Auftrag bauen, ihren Arbeitern den in Berlin gültigen Tariflohn zu zahlen – die beiden Länder verstoßen damit möglicherweise gegen das EU-Recht.
Berlin und Brandenburg verlangen von den Bauunternehmen eine „Tariftreueerklärung“. Damit garantieren diese, daß weder sie noch ihre Subunternehmer billige Malocher zu Hungerlöhnen von fünf Mark pro Stunde beschäftigen. Statt dessen gilt zum Beispiel für einen Baufacharbeiter der Berliner Tariflohn von mindestens 21 Mark brutto. Stellen SenatsmitarbeiterInnen bei ihren Stichproben doch Lohndumping fest, wird die betreffende Firma für zwei Jahre von Senatsaufträgen ausgeschlossen. So soll verhindert werden, daß die Baubetriebe Billigarbeiter einstellen und die teureren einheimischen Beschäftigten auf die Straße setzen.
Dieselbe Praxis solle, so verlangt die IG Bau, Agrar, Umwelt auch der Bund bei seinen Großprojekten wie dem Reichtstagsumbau und anderen Regierungsgebäuden anwenden. „Denn die Indizien sprechen dafür, daß Billigarbeiter auch auf Bundesbaustellen beschäftigt werden“, sagt Rainer Knerler von der IG Bau Berlin. Schließlich gibt es bislang keinen bundeseinheitlichen Mindestlohn für Bauarbeiter. Der ist an der Ablehnung der Bundesvereinigung der Arbeitgeber gescheitert. Die Folge: Wo nicht Spezialregelungen wie die „Tariftreueerklärung“ greifen, ist den Hungerlöhnen Tür und Tor geöffnet.
Eine solche „Tariftreueerklärung“ lehnt das Bundesbauministerium ab. Sprecherin Gudrun Finke: „Das ist bedenklich im Hinblick auf europäisches Recht.“ Denn die Regelung in Berlin und Brandenburg sei eine „Wettbewerbsverzerrung“. Französische Unternehmen etwa mit ihren billigeren, weil nach französischem Tarif bezahlten Beschäftigten, hätten kaum noch Chancen, an öffentliche Aufträge in Berlin heranzukommen. Betriebe aus Mecklenburg und Brandenburg seien aus denselben Gründen benachteiligt.
Das Bundeskartellamt betrachtet die Praxis der beiden Landesregierungen ebenfalls mit Argwohn. Wie das Bundesbauministerium sieht die Behörde darin eine „unzulässige Wettbewerbsbeschränkung“. Rechtlich endgültig geklärt ist die Sache freilich nicht. Doch vorläufig will das Kartellamt keine Entscheidung treffen. Man wartet darauf, daß sich das Problem von selbst erledigt. Wenn sich Gewerkschaften und Arbeitgeber in den nächsten Monaten doch noch über einen einheitlichen Mindestlohn einigen, wollen Berlin und Brandenburg ihre Regelung zurückziehen und die des Bundes wäre überflüssig. Hannes Koch
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