■ Bonn apart
: Verirrte Gestalten

„Wir als Rechtsstaatspartei“, tönt der Redner im Bundestag, „wollen nicht hinnehmen, wie mit Menschenrechten umgegangen wird“. Von welcher Partei stammt er? Von den Grünen, der SPD, der CDU oder gar ha, ha, ha der FDP? „Ich habe von Ihnen eine Stellungnahme dazu vermißt, daß mit Leuchtspurmunition auf unseren Bundespräsidenten geschossen wurde“, fährt der rechtspolitische Sprecher der CDU, Rupert Scholz, die SPD an. Will die SPD etwa Bemühungen unterstützen, doch noch Johannes Rau als Bundespräsidenten durchzusetzen? Sein Parteifreund Jochen Feilcke spricht von „herumstreunenden Chaoten“, „verirrten Gestalten aus der Anarchoszene“ sowie Verbalterroristen. Müssen die ordnungsliebenden Deutschen zukünftig vorsichtshalber die Türen verrammeln und sich die Ohren zuhalten?

Der Bayer Hans Raidel wird vom PDS-Abgeordneten Gerhard Zwerenz in einem Zwischenruf als „Faschist“ bezeichnet. Hatte zuvor ausgerufen: „Was sich SPD und PDS geleistet haben, das ist auf gut bayrisch gesagt eine Sauerei.“ Ja, verdammt, worum geht es denn bei dieser verbalen Kraftmeierei im ehrwürdigen Deutschen Bundestag überhaupt?

Die FDP, Sie wissen schon, die Rechtsstaatspartei, die stets für die Menschenrechte eintritt, hatte eine aktuelle Stunde zum Bundeswehrgelöbnis in Berlin beantragt. Da war es bekanntlich nicht ganz korrekt zugegangen. Es hatte Demonstrationen gegeben. Da mußte doch entschieden was zu gesagt werden. Schließlich waren Bürger in Uniform, „mutige Männer, die in Bosnien Tag für Tag für Menschen in der Not da sind“, „junge Menschen, die sich in unermüdlichem Einsatz für unseren Staat befinden“, von „verirrten Gestalten“ und „herumstreunenden Chaoten“ in ihrer „Würde und Ehre verletzt“ worden. Da sind der Rechtsstaat, die Demokratie, da ist der ganze Staat herausgefordert.

Der genaue Titel der aktuellen Stunde lautete übrigens: „Haltung der Bundesregierung zu den Vorkommnissen bei dem offiziellen Gelöbnis der Bundeswehr in Berlin“. Ja, gehört die FDP denn nicht zur Regierung? Hat sie denn keine Haltung? Fragen über Fragen, die ebenfalls eine aktuelle Stunde wert wären – oder? Markus Franz