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Lambsdorffs Seitenhiebe gegen Kinkel

Auf der Tibet-Konferenz der Naumann-Stiftung kritisierten sowohl FDP-Abgeordnete als auch Tibet-Gruppen die China-Politik der Regierungskoalition  ■ Aus Bonn Barbara Geschwinde und Björn Blaschke

„Wir sind nicht gegen die Chinesen und auch nicht gegen die chinesische Regierung; wir sind Brüder und Schwestern!“ Der Dalai Lama zeigte sich in seiner Rede vor der „Zweiten Internationalen Konferenz der Tibet-Unterstützungsgruppen“ am vergangenen Wochenende im Bonner Wasserwerk dialogbereit. Außerdem bat das geistliche Oberhaupt der TibeterInnen die rund 260 TeilnehmerInnen aus 53 Ländern, sein Volk und dessen Kultur weiter zu unterstützen.

Weitaus schärfere Worte fand Otto Graf Lambsdorff in seiner Eröffnungsrede. Dem Vorstandsvorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung, die gemeinsam mit der tibetischen Exilregierung die Bonner Konferenz organisierte, gelang ein Spagat: Lambsdorff adressierte eine klare Kritik an die „repressive“ Führungsclique in Peking und bezeichnete ihre fortgesetzten politisch motivierten Verhaftungen und Folterungen als „schockierend“.

Gleichzeitg versetzte Lambsdorff seinem Parteikollegen Klaus Kinkel einen Seitenhieb, indem er darauf verwies, daß die politischen Stiftungen zwar den einzelnen Parteien nahestehen, jedoch „manchmal von der Politik unserer Regierungen abweichen“. Damit spielte er auf die Auseinandersetzungen an, die es im Vorfeld der Konferenz um deren Finanzierung gegeben hatte – sowohl innerhalb der FDP als zuletzt auch im Bundestag.

Bei der Anspielungen blieb es dann aber. Zumindest im öffentlichen Teil der Konferenz kam weder die deutsche China-Politik zur Sprache, noch wurde die von Außenminister Kinkel für den kommenden Juli geplante Reise nach Peking angesprochen.

Kinkel hatte dafür gesorgt, daß das Treffen nicht mit Regierungsgeldern unterstützt wurde, weil die tibetische Exilregierung bis heute von keinem Staat der Welt anerkannt sei. Eine Finanzierung mit öffentlichen Geldern, so Kinkels Argument, wäre einer indirekten Anerkennung gleichgekommen – und mit der hätte er sich völkerrechtlich ins Abseits gestellt.

Es waren natürlich die wirtschaftlichen Interessen der Bundesregierung, die Kinkel gefährdet sah. Denn bekanntermaßen üben die Machthaber in Peking Druck auf Bonn aus, sobald nur einmal das Wort „Menschenrechte“ im Zusammenhang mit China fällt. Das geschah auch im Vorfeld der Bonner Tibet-Konferenz.

Die deutsch-chinesische Wirtschaftskungelei führte dazu, daß die Visa-Abteilung der Deutschen Botschaft in Neu Delhi den Mitgliedern des tibetischen Exilparlaments die Einreise nach Deutschland zunächst nur unter einer Bedingung genehmigen wollte: Sie sollten eine Erklärung unterzeichnen, daß sie als Privatpersonen reisen und nicht als Delegierte ihrer Exilregierung. Erst in letzter Minute hatte das Auswärtige Amt in Bonn diese Weisung zurückgenommen.

Die Bundestagsabgeordnete Irmgard Schwaetzer schloß sich den Worten Lambsdorffs an. Das Parlament werde sich von den „Macht- und Drohgebärden der chinesischen Regierung nicht einschüchtern lassen“. Sie verwies darauf, daß in dieser Woche endlich die bereits im April dieses Jahres ausgearbeitete interfraktionelle Tibet-Resolution des Bundestages verabschiedet werden soll. In der Resolution wird die Bundesregierung – also auch Schwaetzers FDP-Kollege – zu einem härteren Kurs gegenüber China aufgefordert. Zugleich werden die andauernden Versuche der „tibetischen Exilregierung um einen konstruktiven Dialog“ mit Peking anerkannt.

Die Tibet-Gruppen lobten die Initiative der Friedrich-Naumann- Stiftung, die trotz der in der vergangenen Woche kurzfristig gestrichenen Finanzhilfe von 290.000 Mark die Bonner Konferenz organisierte. An Kinkel, Kohl und Co. dagegen ging eine deutliche Kritik. Klemens Ludwid von der „Tibet Initiative Deutschland“ fand, daß die Regierungskoalition „in Fragen der Völker- und Menschenrechte auf das Niveau einer Bananenrepublik abgesunken ist“.

Doch letztlich hätten die Auseinandersetzungen im Vorfeld der Konferenz die Motivation aller Konferenzteilnehmer erhöht, „etwas auf die Beine zu stellen“, so Ludwig weiter. Auch wenn die Ergebnisse der Bonner Konferenz nicht sofort in Tibet spürbar werden, sei an der Reaktion der Chinesen doch zu erkennen, daß von der Konferenz eine Botschaft ausgehe.

VertreterInnen der Tibet-Initiative planen, „Tibet-Tage“ auszurufen und die „Flaggenaktion“ auszuweiten. Bereits am 10. März dieses Jahres war nach einer Demonstration in Brüssel in rund 600 Städten die tibetische Flagge gehißt worden. Eine entsprechend abgestimmte Strategie wollen sie zum Konferenzende am heutigen Montag verabschieden.

Kommentar Seite 10

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