Inside Mottram Hall
: Gijón in Old Trafford

■ Bei einer geheimen Konferenz wurde Tschechiens Schicksal besiegelt

Gestern, ein abgelegener Konferenzraum in Mottram Hall. Wichtige deutsche Fußballgrößen treffen sich mit Italiens Coach Arrigo Sacchi zu einem „Gedankenaustausch“.

Hans-Hubert Vogts: Bonn Tschorno, amigo Arrigo.

Arrigo Sacchi: Guten Tag, collega Berti. Sag, wie halten wir uns die Tschechen vom Leib?

Gerhard Mayer-Vorfelder (DFB-Delegationsleiter): Ich sage nur: Gijón!

Sacchi: Oh, mondiale 82. Wir haben gesiegt – gegen euch Tedeschi! Rossi, Tardelli, Altobelli...

Vogts: Jaja, kann sein. Dieses komische Endspiel. Nein, wir meinen Gijón, unser letztes Gruppenspiel, 1:0 gegen Österreich. Hrubesch traf nach 11 Minuten. Dann war Sense. Am Ende waren beide qualifiziert. Und diese frechen Algerier rausgekegelt.

Egidius Braun (DFB-Präsident): Wie durch ein Wunder. Dem Herrn sei Dank.

Sacchi: Die armen Algerier, si.

Braun: Die Armen? Sie hatten es vorher gewagt, Deutschland zu demütigen mit 2:1, obwohl der Jupp gesagt hatte: Ich geh zu Fuß nach Hause, wenn die uns schlagen.

Sacchi: Ist er schon angekommen?

Vogts: Quatsch, Jupp Derwall hat die deutsche Mannschaft danach taktisch versiert zu jenem historischen 1:0-Sieg geführt. Und jetzt haben wir die gleiche Situation, Arrigo ...

Sacchi: Wieso? Ihr braucht doch nicht zu gewinnen. Euch reicht ein Unentschieden oder sogar ...!

Vogts: Genau! Uns reicht ein 0:1, selbst damit bleiben wir Erster und hier in Moot Tremmhoal. Ihr müßt gewinnen. Machen wir es wie 1982: Ihr schießt früh das 1:0, dann berennen wir wie wild euer Tor.

Sacchi: Erbarmen! Und haut uns die Bude voll, was!? Meine Abwehr ist eine Katastrophe. Maldini denkt nur an sein Baby.

Vogts: Arrigo, alter Angsthase. Wir tun nur so. Zudecken heißt das. Modernes Zudecken der Absichten. Soll ja keiner was merken wie damals.

Egidius Braun (UEFA-Vizepräsident): Wir haben doch unsere neuen wohldurchkalkulierten UEFA-Regeln. Damit verlegen wir Gijón nach Old Trafford, und du kannst zum Helden werden!

Vogts: Genau, kannst gleichzeitig alle deine Stürmer spielen lassen, den Ravazzola, Chiesaraghi, Del und Di Sowieso, alle, Arrigo. Das rettet deinen Job.

Sacchi: Sieg gegen deutsche Panzer zählt immer doppelt.

MV: Mit eurem Verband, Arrigo, ist das schon abgesprochen. Frag doch Berlusconi – der ist Politiker wie ich. Wir nennen so ein Arrangement Kompromiß. Oder Diplomatie.

Sacchi: Diplomatie! Va bene. Wieviel Schutzgeld müssen wir zahlen?

Braun: Ach, nennen wir es Freundschaftsdienst. Für die Spieler ist es eine besonders schöne Form, mit christlicher Nächstenliebe das Vaterland würdig zu vertreten.

MV: Ich nenne es praktizierten Pragmatismus. Fußballerischer Manchester-Kapitalismus. Italien im Viertelfinale ist doch viel ökonomischer als diese Tschechier, diese Halbländer, da ist doch kein Potential. In football money comes home...

Vogts: ... und wir sind sicher, daß uns nichts passiert. Und ich kann ein paar Reservespieler einsetzen. Dann sind die ruhig. Das ist moderner, begeisternder Fußball, wie ich ihn mir vorstelle. Und ich kenne den Fußball.

Sacchi: Gut, signori. Meine Elf wird wie ein Wesen, ein gemeinsamer Organismus handeln. Versprochen, 1:0. So machen wir's.

MV: So werde denn Tschechien zu Algerien 96!

Braun: So sei es: Beide siegen, auch der Verlierer. Das ist praktiziertes Christentum. Das ist unser gesellschaftspolitisches Engagement. Was machen sonst all die deutschen oder italienischen Jugendlichen, wenn einer von uns ausscheidet – wir trieben sie doch auf die Straße.

Sacchi: Bene. Eine Mannschaft muß immer einer großen Idee folgen.

Vogts: Tschau, Arrigo. Und, haha, Scherz wieder hergeholt: Viel Glück am Mittwoch.

Sacchi: Mille Grazie, Berti. Dir auch. Lauschangriff: Bernd Müllender