: „Affentanz“ in Bhv
■ Keine gütliche Einigung im Streit um die Bremerhavener Ausstellung „Aufbruch in die Fremde“ / Vergleich geplatzt
Wer sich in die Seestadt aufmacht, um die Wanderausstellung „Aufbruch in die Fremde“ zu sehen, steht auch weiterhin vor verschlossener Tür. Der Vergleich, den der bisherige Pächter der Ausstellung, Dirk Lembeck, und Wolfgang Weiß, Kulturdezernent Bremerhavens, noch vergangene Woche schließen wollten, ist geplatzt.
Zum Jahreswechsel hatte die Wohnungsbaugesellschaft GEWOBA, die das Ausstellungsgelände, die Werkhalle der ehemaligen Firma „Metall- und Holzbau“, verwaltet, eine Räumungsklage gegen Lembeck Event Marketing erwirkt. Grund waren erhebliche Mietrückstände. Doch das Ausstellungsinventar steht noch immer in den Räumen vis-à-vis des Schifffahrtsmuseums. Ein Symbol, so Lembeck, für seine idealistische Haltung, die Ausstellung weiterführen zu wollen, in die er schon mehr als 200.000 Mark an Eigenmitteln investiert habe. Bloß: Der Magistrat Bremerhavens, in Gestalt von Kulturdezernenten Wolfgang Weiß, will nicht, daß Lembeck die Ausstellung über das Auswandererschicksal von Millionen Menschen weiterführt. Womit die – stark verhärteten – Fronten deutlich sind.
„Wir verfolgen jetzt mit Nachdruck die Herausgabe der Ausstellung“, sagt Weiß. Für juristischen Nachdruck sorgt eine Herausgabe-Klage, die sich auf ein notariell beglaubigtes Schreiben vom 30.1.96 stützt. Daraus geht hervor, so Rechtsanwalt Henning Hübner, der die Seestadt vertritt, daß nicht Dirk Lembeck Eigentümer von „Aufbruch in die Fremde ist, sondern das Land Bremen. „Wir können nicht für eine Ausstellung bezahlen, die uns schon gehört“, so Wolfgang Weiß. Er verstehe nicht, warum Lembeck die Offerte der Stadt in letzter Sekunde ausgeschlagen habe, die – „ungewöhnlich für eine Kommune“ – 200.000 Mark auf einem Anderkonto bereitgestellt hatte. Darauf hätte Lembeck zurückgreifen können, wenn er nachweist, was er selbst in die Ausstellung investiert hat. Doch diese Nachweise liegen der Stadt, wie eine Magistratsvorlage belegt, nicht vor: Lembeck „hat zu keiner Zeit seine diversen Angaben belegt“.
Auch dem Wirtschaftssenator, der die Wanderausstellung 1993 mit 275.000 Mark in Bremerhaven angeschoben hat, liegen keine Abrechnungen vor. Lembeck behauptet das Gegenteil und sieht sich als Opfer nicht nur Wolfgang Weiß', sondern einer Verschwörung mit dem Ziel, den „Aufbruch in die Fremde“ dem Morgenstern-Museum anzugliedern. Dem entsprechend ist seine Stimmung: „Diskreditiert“ fühlt er sich, „Lügen und Unterstellungen“ habe es gegeben, die zu dem „Affentanz“ mit der Stadt Bremerhaven erst geführt hätten.
„Man scheint massiv im Hintergrund gegen mich vorzugehen. Die Möglichkeit der Richtigstellung oder Rechtfertigung ist mir genommen. Den Umfang der Rufschädigung vermag ich nicht abzuschätzen“, schreibt Lembeck am 28.8.95 an die Stadträte Bremerhavens. Er beklagt die mangelnde „Gesprächsbereitschaft“ der Stadt, seine Briefe blieben unbeantwortet und die Abrechnungen, die er an die Stadt geschickt habe, seien bei Morgenstern-Museumsdirektor Kube gelandet – seinem „Konkurrenten“ (Lembeck), der ein kostengünstigeres Ausstellungskonzept vorgelegt hätte.
„Völlig absurd“, weist der Kulturdezernent die Vorwürfe zurück, die er allesamt durch Belege entkräften könne. Und: „Kube ist kein Konkurrent, sondern ein Retter in der Not.“
Tatsache ist, daß die Ausstellung, bevor sie Ende Mai die Pforten schloß, nur 43.032 ZuschauerInnen anzog – zu wenig, um sie kostendeckend zu betreiben. Zu wenig auch, um sich aus dem Eintrittserlös von insgesamt 135.504 Mark noch ein monatliches Honorar von 8.000 Mark zu gewähren, wie es Lembeck tat. Dem wohl auch eine gewisse starrsinnige Blauäugigkeit, gepaart mit mangelnder Kompetenz im Museumsmanagement attestiert werden muß. Wie sonst ließe sich erklären, daß etwa die 50.000 Mark, die Lembeck als Marketing-Maßnahmen vom Wirtschaftssenator zugesprochen wurden, zum größten Teil noch nicht abgerufen sind, bloß weil die dafür notwendigen Rechnungsbelege fehlen? Und wie, daß Lembeck den Anwalt seines Vertrauens gefeuert hat, nachdem der gerade, siehe oben, einen langwierig erbeiteten Vergleich erreicht hatte?
Lembeck gibt nicht nach, obwohl ihn die Fristüberschreitung der Räumungsklage gutes Geld kostet und er, wie er sagt, noch zwei Mitarbeitern ihr Gehalt zahlt. Bis zum Gerichtsurteil rottet der „Aufbruch in die Fremde“ weiter vor sich hin. Alexander Musik
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