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Ein Museum droht zu verschwinden

■ Noch keine Entscheidung im Streit um die Zukunft des Jüdischen Museums. Gespräch zwischen Kultursenator Radunski und Museumschef Barzel verschoben

Die Stimmung ist gereizt. In den Kinosaal des Martin-Gropius- Baus in Kreuzberg hatte die „Gesellschaft für ein Jüdisches Museum“ am Dienstag abend geladen, um zu retten, was in den Mühlen der Kulturbürokratie zermahlen zu werden droht: das Projekt Jüdisches Museum.

In zwei Jahren wird der zu diesem Zweck gebaute international gerühmte dekonstruktivistische Zickzackbau von Daniel Libeskind bezugsfertig sein. Doch was hinein soll, steht in den Sternen. Die Stadt hat 120 Millionen Mark für den – wie es neuerdings offiziell und ohne jüdisches Attribut heißt – „Erweiterungsbau des Berlin- Museums“ ausgegeben, aber keinen Pfennig für Ankäufe. Es gibt nicht einmal eine umsetzungsfähige Konzeption, es gibt nur Streit und Intrigen auf einem Niveau, für die das Wort „Posemuckel“, so Lea Rosh am Dienstag abend, eine Beschönigung wäre. Ein „internationaler Skandal“ drohe, meint Ray Wolff vom Heimatmuseum Neukölln, auf jeden Fall aber „die größte Schande für die Museumsgeschichte in Deutschland“, so Vera Bendt, die vor siebzehn Jahren Berlins Jüdische Sammlung aufzubauen begann.

Ein Museum droht zu verschwinden. Das ist die Sorge fast aller der etwa 120 Menschen, die zu der knapp vierstündigen Diskussion erschienen sind. Im Zentrum des Debakels steht der israelische Ausstellungsmacher Amnon Barzel, der genau dies verhindern möchte. Deshalb ist er vom Generaldirektor der übergeordneten Stiftung Stadtmuseum, Rainer Güntzer, vom Direktor zum Hauptabteilungsleiter degradiert worden. Barzel kämpft mit Temperament und mit dem Fehler, nicht bei der Kulturbürokratie zu antichambrieren, für ein kulturell und finanziell autonomes Jüdisches Museum innerhalb der Stiftung Stadtmuseum. Er will einen „jüdischen Blick“ auf die Geschichte Berlins und „kein Heimatmuseum mit jüdischen Ecken“, in dem die Juden nur als Opfer vorkommen. Daß er sich mit seinem Konzept für solch ein „integratives Konzept“ bei der Kulturverwaltung durchsetzen kann, ist mehr als fraglich. Das für Dienstag geplante Gespräch mit Kultursenator Peter Radunski (CDU), das eventuell mit der Abberufung Barzels enden könnte, ist auf nächsten Dienstag verschoben worden.

Güntzers Nischenblick formuliert dessen Kronprinz für eine mögliche Barzel-Nachfolge, nämlich Dominik Bartmann. Dieser ist ein ungewöhnlich farbloser Mann, Graphikexperte und derzeit kommissarischer Leiter des Berlin Museums. „Wir wollen die Stadtgeschichte unter Berücksichtigung des besonderen Anteils der Juden an der Stadtgeschichte darstellen“, sagt er tapfer, wohl wissend, daß die Mehrheit im Saal dies für ein Konzept des 19. Jahrhunderts hält. Und später rettet er sich in Beschlußlagen der frühen achtziger Jahre, wobei er nicht aufhören will, Ansichten des verstorbenen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski, für sein Modell zu vereinnahmen. Was hoch pikant ist, denn sein Oberchef Güntzer will in eigener Regie und ausdrücklich ohne die Mitwirkung der Jüdischen Gemeinde, geschweige denn von Amnon Barzel, eine Ausstellung im Schöneberger Rathaus über den „deutsch-jüdischen Patrioten Galinski“ vorbereiten.

„Kein vernünftiger Mensch ist gegen ein jüdisches Museum“, behauptet also Dominik Bartmann wider allen Anschein, um gleich wieder auf dem Teppich zu landen: „...aber dies mit dem Libeskind-Bau zu verbinden ist falsch.“ Denn dieser sei als Erweiterungsbau für die stadtgeschichtlichen Sammlungen einschließlich der Judaica des Berlin Museums geplant und beschlossen gewesen: „Alles andere ist eine andere Geschichte.“

„Absurd“, meint dazu Lea Rosh, von der viele hoffen, daß sie die gleiche Energie, die sie in ein Mahnmal für tote Juden investiert, in ein Museum für lebendige Juden steckt. Bloß weil die Stadt es vor dem Mauerfall einmal so beschlossen habe, könne man doch jetzt nicht in eine „Peinlichkeit der Sonderklasse“ hineinrutschen, warnte Lea Rosh. Anita Kugler

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