Roboter ersticken die Diskussion

■ Die Usenet-Newsgroup „alt.religion.scientology“ wird seit Wochen von anonymen Unsinnsbeiträgen überschwemmt

Niederbrüllen war früher gar nicht so einfach: Man mußte eine Mehrheit auf seine Seite bringen. Im Internet ist das bequemer geworden. Der automatische elektronische Niederbrüller bringt jede Diskussion zum Erlahmen – ganz ohne Mehrheit.

In der Usenet-Gruppe alt.reli gion.scientology diskutieren bisher Anhänger und Gegner des Science-fiction-Autors Ron Hubbard eifrig über dessen verquere Lehre. Seit einiger Zeit versucht jemand, diese Diskussion zu ersticken. Seine Methode, „Vertical Spamming“, ist einfach: In einem kurzen Zeitraum werden eine Unmenge (in diesem Fall bald 10.000) unsinniger, vom Computer generierter Diskussionsbeiträge an diese Diskussionsgruppe verschickt. Die Rechner sollen überfordert werden, vor allem aber die Diskussionsteilnehmer, die sich erst durch Hunderte von Roboter-Briefen arbeiten müssen, um einen vernünftigen Beitrag lesen zu können. Entnervt beenden viele die Diskussion.

Effektiv wehren kann sich die Netzgemeinde gegen solche Angriffe kaum. Das Unsinnige müßte von Hand aussortiert werden, Kurzfristige „Wegwerf-Accounts“ verschleiern den wahren Urheber. Trotzdem glaubt der Amerikaner Jon Noring (noring@netcom .com), den Verursacher ausgemacht zu haben: die Scientology- Kirche selbst. Er hat eine Petition ins Internet gesetzt, die Scientology dazu veranlassen soll, das Spamming zu unterlassen (zum Unterzeichnen noch bis 30. Juni eine leere E-Mail an petition- 1@netcom.com). Norings Indizien für eine Urheberschaft der Sekte: Alle diskussionsverstopfenden Beiträge sind pro Scientology, lauter kurze Auszüge aus einer hauseigenen Publikation, alle beginnen sie mit demselben Einleitungssatz, wonach „viel falsches über Scientology in alt.religion.scientology“ verbreitet werde.

Als vor einiger Zeit als geheim geltende Schulungsdokumente der Sekte im Netz publziert worden waren, hatte Scientology ähnliche „Wegwerf-Accounts“ und genormte Texte benutzt, um deren Veröffentlichung rückgängig zu machen – warum, fragt Noring, schweigt sie diesmal, obwohl große Teile der eingespeisten Nachrichten einen Copyright-Vermerk enthalten? Schon die schweigende Zustimmung spreche für eine Beteiligung des Geldraffer-Vereins. Noring glaubt außerdem, daß die Scientologen ein solches Spamming lange geplant haben – der Geheimplan ist bei ihm unter ftp:// ftp.netcom.com/pub/no/noring/ spamplan.txt abzurufen. Stefan Kuzmany

kuzmany@ifkw.uni-muenchen.de