■ CDU/FDP beschließen den Großen Lauschangriff: Remake von einem Remake
Zwei gänzlich gegensätzliche Stücke werden zur Zeit auf der Bonner Bühne zum besten gegeben. Das eine inszeniert Bundesinnenminister Kanther als das Märchen von der stetig steigenden Kriminalitätsbelastung. Ein Remake von einem Remake von einem Remake. Die andere Aufführung, die gestern als Großer Lauschangriff Premiere hatte, könnte heißen: „Wie die tapfere Regierung dem bösen Verbrechen den Kampf erklärte und sich dafür rüstete.“ Für die Regie und den längeren Vorlauf zeichnet auch hier der Bonner Innenressortchef verantwortlich. Die Vorlage ist wiederum nicht so neu. Das zeigt ein kurzer Rückblick auf die gesetzgeberischen Aktivitäten der Bundesregierung:
Rauschgiftbekämpfungsplan, Sicherheitspaket 94, Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und nun also der Lauschangriff – das sind die
Titel, unter denen die Koalition in den vergangenen Jahren Gesetz um Gesetz verschärfte, Bürgerrechte abbaute sowie Polizei- wie Geheimdienstbefugnisse ausweitete.
Wie im gutem alten Drama scheint der Hauptdarsteller (die tapfere Regierung) schicksalhaft und ohne eigenes Verschulden am Bösen scheitern zu müssen – um anschließend heldenhaft wie Sisyphos alle Anstrengungen erneut auf sich zu nehmen. Die Dramaturgie der einzelnen Stücke ist nicht der Fehler – es ist das Gesamtkunstwerk. Solange sich die Bonner Rechts- und Kriminalpolitik ausschließlich im Rahmen verschärfter Repression bewegt, ist die Fortsetzung sichergestellt. Die nächsten Aufführungen lauten: Ausweitung der akustischen Überwachung zu einer visuellen, der Einsatz von Verfassungsschutz gegen Mafiabanden, die milieubedingte Straftat als Eintrittskarte für den verdeckten Ermittler.
Und wie es aussieht, nützt auch das Auswechseln des Regisseures nur wenig. Sollte die SPD das Sagen haben, sie täte es der Koalition gleich. Sie würde als erstes den Rechtsgrundsatz über Bord werfen, wonach als schuldig nur gilt, wer auch überführt ist. Denn nichts anderes bedeutet die von der SPD geforderte „Beweislastumkehr“, mit der die Sozis Kriminellen ihr Vermögen wegnehmen zu können glauben.
Wer lediglich auf Repression setzt, sollte sich über mangelnden Erfolg nicht beklagen. Solange die Sozialpolitik nicht wichtiger als Kriminalpolitik genommen wird, so lange werden die Erfolge bei der Verbrechensbekämpfung ausbleiben. Wolfgang Gast
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