: Kurzfilmfestival
Wie aufgedunsen das Kurzfilmfestival in seiner 12. Auflage geraten ist, das kann man am besten am Katalog ablesen: eine veritable Schwarte. Als 1987, in dem damals noch schmalbrüstigen Bändchen bei knapp 400 Einsendungen eine Großveranstaltung herbeigeredet wurde, verschwendete man das passende Wort für die über 2.400 Einsendungen anno 1996. Um diese Bildermassen zu bändigen wurden im kleinen Saal der Markthalle 10 individuelle Vorführplätze eingerichtet, an denen sich Interessierte mit Bildern füttern können.
Doch obwohl nur jede 10. Einsendung dem Publikum zugeführt wurde, waren die Filter, so schien es am Donnerstag Abend bei der Reihe No Budget 1, noch immer zu grobmaschig. Denn was es da zu sehen gab malträtierte die Gemüter, ließ unruhig auf den Stühlen rutschen. Irgendwelche exhibitionistischen Video-Trottel, die ihre Zipfelchen zeigen, enterten dieses No Budget Programm. Baumelnde Schwänze, wohin das Auge sich auch wendete. Oder aber abgeschmackte Tag-träume der 17jährigen Nicole Whichello, in deren barocker Ménage a trois im Tanzkostüm viel unfreiwillige Komik lauerte. Die Juroren hätten den Wettbewerb doch nicht ganz den Videonauten überlassen sollen?
Erholung von dieser Pein fand man dann immerhin bei den Fresh Hamburg Shorts im Alabama. Neben den bekannten kurzen Produktionen von Wüste Film,Sensin – Du bis es ! von dem gegenwärtig wohl versiertesten Hamburger Jungfilmer Fatih Akin und dem etwas bemühten Gangsterstreifen Immer geradeaus von Thorsten Kirves, wurden auch die anderen Produktionsstätten bedacht. Besonders Janek Rieke aus Hark Bohms Filmwerkstatt geland es in Neulich am Deich, die Kurzgeschichte Das Duell von Tschechov auf die andere Seite am Deich zu verlegen. In verwehten Bildern von Deichgräsern zeigt der Dritt-Semestler die Auseinandersetzung zwischen einer Männerclique um ein Weibchen. Diese einfachste aller Geschichten wird aber mit den unterschiedlichen Lebensentwürfen der Einzelnen untermalt, die buchstäblich bis aufs Blut verteidigt werden.
Eine schrullige Hamburgensie hingegen über den Club Amphore liefert der Altmeister Gabor Altorjay mit Ein Tag aus dem Leben der Tochter von Mick Jagger und Michel Piccoli. Darin wird angeblich das letzte Hamburger Geheimnis um eben jene Tochter gelüftet. Doch Abaton-Zampano Werner Grassmann schreitet als Polizist gegen diese Enthüllung ein.
Nach dieser bunten Werkschau darf man auch auf Der Porzellanladen 1 + 2 gespannt sein, den der eigenwillige Hamburger Filmprofessor Franz Winzentsen im Wettbewerbsprogramm 7 heute (Metropolis, 18 Uhr) und morgen (3001, 16 Uhr) zeigt.
Volker Marquardt
Premieren am Samstag: No Budget 5 und 6 (Markthalle ab 18 Uhr), Wettbewerb 7 und 8 (Metropolis ab 18 Uhr) sowie Short Essays 2 (3001, 20 Uhr). Anschließend findet in der Markthalle die traditionelle No-Budget-Party statt.
Sonntag: Digital Video (Markthalle, 16 Uhr). Ab 21 Uhr findet dann ebenfalls in der Markthalle die Preisverleihung statt. EM-Berichterstattung findet auf einer Großbildleinwand im Marx mit Einlagen statt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen