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Grundsatzurteil

■ UKE-Skandal: Ärzte verletzten Aufklärungspflicht – Stadt muß zahlen

Das erste Urteil des Landgerichts Hamburg im Strahlenskandal der UKE-Frauenklinik wurde gestern gleich zum Grundsatzurteil: Nach Ansicht der dritten Zivilkammer haben die Ärzte das Selbstbestimmungsrecht einer Brustkrebspatientin, die 1989 bestrahlt worden war, verletzt. Sie hätten die Frau über Behandlungsalternativen und Risiken aufklären müssen. Die Wissenschaftsbehörde wurde zu Schadensersatz, dessen Höhe noch verhandelt werden muß, verurteilt.

Bei 28 Unterleibskrebspatientinnen wurde eine außergerichtliche Einigung empfohlen. Aus den Erläuterungen des Richters Detlev Timmermann wurde deutlich, daß das Gericht davon ausgeht, die Patientinnen seien mit veralteten Methoden und zu hohen Dosen bestrahlt worden. Bis zum 15. September sollen Wissenschaftsbehörde und PatientInnen-Anwalt Wilhelm Funke prüfen, in welchen Fällen sie zu Vergleichsverhandlungen bereit sind. Beide Seiten signalisierten gestern guten Willen.

In zehn Fällen wird bereits verhandelt. Fünf Unterleibskrebspatientinnen erhielten Abschlagszahlungen von rund 140.000 Mark, weil lange Vergleichsverhandlungen zu erwarten sind. Mehr als 100 Patientinnen und Angehörige von Verstorbenen erheben Schadensersatzforderungen. Funke schätzt nach der Einlassung des Gerichts, daß die Stadt mehr als 20 Millionen Mark wird zahlen müssen.

Das Grundsatzurteil dürfte nicht nur ein Signal für ähnlich gelagerte Fälle im Brustkrebsbereich, sondern auch richtungsweisend für den Umgang zwischen Patient und Arzt sein. Denn eine Aufklärungspflicht von der Höhe der Bestrahlungsdosen abhängig zu machen, tat Richter Detlev Timmermann als ärztlich-dogmatische Spitzfindigkeit ab. Viel entscheidender sei die Perspektive der Patientinnen, und über deren Köpfe hinweg dürfe nicht entschieden werden.

„Wir werden die Urteilsbegründung genau prüfen und entscheiden, wie wir vorgehen“, kommentierte Behördensprecher Tom Janssen die Entscheidung. PatientInnenanwalt Funke sieht sich angesichts des Grundsatzurteils und der „deutlichen Sprache“ des Gerichts zur Behandlung bei Unterleibskrebs in seinen Vorwürfen bestätigt: „Im UKE wurde jahrelang systematisch gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen verstoßen und veraltete Methoden angewandt.“ Patricia Faller

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