: Der schöne Berg der Müll-Millionen
■ Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki steht wegen seiner Beratertätigkeit bei Schönberger Müll-Verträgen vor dem Kieler Landgericht Von Marco Carini
Die Räumlichkeiten kennt er genau, nur die Rolle ist für ihn ein wenig ungewohnt. Denn vor dem Kieler Landgericht gibt der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki, im bürgerlichen Leben Rechtsanwalt, ab 22. Juli den Angeklagten. Auf rund 1,5 Millionen Mark Schadensersatz hat die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern den Kieler FDP-Politiker verklagt.
Denn 1992 war Kubicki als juristischer Berater des Landes Mecklenburg-Vorpommern an den Verhandlungen über die Privatisierung der Mülldeponie Schönberg beteiligt. Am Ende seiner Tätigkeit, für die Kubicki fast 860.000 Mark kassierte, standen Kontrakte, die der Schweriner Landesrechnungshof-Präsident Uwe Tannenberg als „miserabel verhandelte Knebelverträge“ klassifizierte. Dem Bundesland sei durch sie ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe zugefügt worden.
Während die Schönberg-Betreiberfirma „Deponie Management GmbH“ (DMG) – die dem Lübecker Müllmakler Adolf Hillmer und dem Veba-Konzern zu gehört – das Gros der Müllgebühren kassiere, müsse das Land die über 400 Millionen Mark teure Deponiesanierung fast im Alleingang bezahlen, rügte Tannenberg. Nun fordert die Landesregierung, der es inzwischen gelang, günstigere Vertrags-Bedingungen nachzuverhandeln, vom teuren Berater Kubicki Geld zurück.
Aus dem Schatten der Müllverträge kommt Kubicki einfach nicht heraus. Dabei hatte sich der „Ostsee-Möllemann“ gerade wieder aufgerappelt, nachdem der Schönberg-Deal ihn 1993 seinen Sessel als Partei- und Fraktionschef der Kieler FDP gekostet hatte. Seit der Landtagswahl im März darf er die FDP-Fraktion nun wieder führen. Doch kaum wieder zurück in Amt und Würden, erwartet den smarten Vollbart-Träger jetzt möglicherweise der nächste Karriereknick.
Denn während deshalb vor dem Kieler Landgericht geprüft wird, ob Kubicki „für bereits entstandene oder noch entstehende Schäden“ ersatzpflichtig ist, ermittelt auch die Schweriner Staatsanwaltschaft wegen „Betrugsverdacht“ gegen den FDP-Politiker. Denn Kubicki teilte mit dem Müllmakler und DMG-Chef Adolf Hillmer, Vertragsgegner der Landesregierung im Schönberg-Geschäft, nicht nur das Parteibuch, er unterhielt zu ihm auch intensive Geschäfts-Beziehungen.
Seit 1991 war er Gesellschafter einer von Hillmer gegründeten Firma mit Sitz im niedersächsischen Lüneburg. Die Staatsanwaltschaft untersucht nun, ob der FDP-Politiker diese Beteiligung seinen Klienten bei den Schönberg-Verhandlungen widerrechtlich verschwiegen hat. Kubicki hingegen weist alle Vorwürfe gegen eine von Interessenskollisionen geprägte Beratertätigkeit für die Schweriner Landesregierung als „unverantwortliche Vermischung seiner politischen und anwaltlichen Tätigkeit in der Öffentlichkeit“ zurück.
Doch nicht nur dem Fraktionschef von der Förde soll es nach dem Willen der Schweriner Landesregierung ans Portemonnaie gehen: Sie verklagt auch den ehemaligen Staatssekretär im Umweltministerium, Peter-Uwe Conrad (CDU), auf insgesamt zwei Millionen Mark Schadenersatz. Conrad hatte zusammen mit der ehemaligen Umweltministerin Petra Ullmann (CDU) für das Land die Schönberg-Verhandlungen geführt.
Neben dem ebenfalls in Kiel anhängigen Schadenersatzverfahren liegt auch dem Schleswiger Verwaltungsgericht eine Klage gegen Conrad vor: wegen „Pflichtverletzung“ im Amt. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt zudem im Zusammenhang mit den Schönberg-Verträgen wegen des Verdachtes der „Untreue“ gegen den ehemaligen Staatssekretär.
Juristisch aus dem Schneider ist allein die Ex-Umweltministerin Petra Ullmann, die wie Conrad aufgrund der Schönberg-Verträge ihren Sessel 1993 räumen mußte. Der Grund: Die Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern kennt keine „Ministerhaftung“.
Auch finanziell ist Ullmann abgesichert. Sie steht inzwischen auf der Lohnliste des von dem Schweriner Verhandlungs-Schlampstück profitierenden Veba-Konzerns – als Pressesprecherin der Veba-Tochter PreußenElektra.
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