Die Prozeß-Steuerung sitzt in Teheran

Zum Ende der Beweisaufnahme im „Mykonos“-Verfahren stehen in Teheran überraschend zwei Zeugen zur Verfügung, die den Hauptangeklagten Kazem Darabi entlasten sollen  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Der gestrige 200. Verhandlungstag im Mykonos-Verfahren begann mit einer technischen Neuerung, die ein nahes Prozeßende verhieß, und er endete mit einer Überraschung, die dieses Ende wieder in weite Ferne rückte. Eine neue Simultananlage war angeschafft worden, um das Prozeßgeschehen schneller ins Arabische übersetzen zu können. Eigentlich hätte die Generalbundesanwaltschaft über diese Anlage mit ihrem Plädoyer gegen die fünf Angeklagten beginnen können, denen sie zur Last legt, am 17. September 1992 im Berliner Restaurant „Mykonos“ vier iranisch-kurdische Oppositionspolitiker ermordet zu haben. Sie hätte dabei unter anderem ausgeführt, daß einer der Angeklagten, Kazem Darabi, Drahtzieher des Attentates und Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes war und daß dessen oberster Dienstherr, Minister Ali Fallahian, wegen der Morde mit Haftbefehl gesucht wird. Im Juli hätte dann die Verteidigung ihr Plädoyer abgegeben und für August wurde das Urteil erwartet.

Dieser Zeitplan wird nicht eingehalten. Das Gericht hat am Montag abend überraschend Post von der Bundesregierung erhalten. In dem Schreiben wird mitgeteilt, daß ab heute zwei Zeugen zur Verfügung stehen, deren Vernehmung in Teheran die Verteidigung Darabis vor Monaten beantragt hatte. Das Gericht hatte sich um eine solche konsularische Vernehmung schon seit längerem vergebens bemüht. Die iranische Seite hatte immer auf ein förmliches Rechtshilfeersuchen bestanden, was in der Konsequenz eine Befragung dieser Zeugen durch einen iranischen Richter bedeutet hätte. Das war von deutscher Seite abgelehnt worden.

Nun, zum Ende der Beweisaufnahme, lenkte Teheran plötzlich ein. Doch noch ungewöhnlicher als der Zeitpunkt sind die Umstände. Der iranische Botschafter in Bonn, Hossein Mussavian, teilte die unerwartete Kooperationsbereitschaft seines Landes am Montag dem Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidtbauer, mit. Nun ist der von Amts wegen mit solchen Rechtshilfeverfahren gar nicht betraut, sein Agieren veranlaßte die Vertreter der Nebenklage denn auch zu einigen Nachfragen. Rechtsanwalt Hans-Joachim Ehrig sprach kurzerhand von einem „Versuch staatlich organisierter Prozeßsabotage“. Immerhin hätten die Zeugen die Möglichkeit gehabt, kostenlos nach Berlin zu fliegen. Die Umstände, da ist sich auch der Prozeßvertreter der Bundesanwaltschaft, Bruno Jost, sicher, „legen die Annahme nahe, daß von staatlicher iranischer Seite Einfluß auf die Zeugen genommen wurde“. Zudem sei „ein Aufklärungsgewinn“ bei einer Vernehmung durch einen Konsularbeamten nicht zu erwarten, dazu sei der zu erfragende Sachverhalt zu komplex. Auch könne man sich keinen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Zeugen machen.

Bei der Vernehmung anwesend zu sein, das wolle sich die Generalbundesanwaltschaft nicht zumuten. Immerhin seien ihnen, nachdem sie den Haftbefehl gegen den Geheimdienstminister Fallahian beantragt hatten, in Teheran massive Konsequenzen angedroht worden. Darabis Verteidiger Detlef Kolloge hingegen befindet, „ein weniger gutes Beweismittel ist besser als gar keins“. Daß es sich um „zentrale“ Zeugen handelt, wie Kolloges Ko-Verteidigerin Gisela Kihn- Meschkat meint, wollen auch die Vertreter der Nebenklage nicht bestreiten.

Darabis Verteidigung erwartet von den Zeugen den Beleg dafür, daß Darabi nicht der einzige war, der über die konspirativen Wohnungen verfügte, in denen die Täter das Mykonos-Attentat vorbereiteten. Gelänge es der Verteidigung, die Beweislage gegen Darabi zu erschüttern, würde dadurch auch der Haftbefehl gegen Fallahian fragwürdig.

Schon um keinen Revisionsgrund zu schaffen, wird der Vorsitzende Richter Friedtjof Kubsch dem Antrag stattgeben. Er will seine Entscheidung am 4. Juli verkünden.