: „Rundum bewachen!“
■ Was Schwachhauser BürgerInnen von dem Drogentherapiezentrum in ihrer Nachbarschaft halten / Beirat läßt sich nicht provozieren und bleibt einstimmig dafür
Wäre das ganze eine Bonner Bundestagssitzung gewesen, so hätte der Protokollant sicherlich alle Zwischenrufe fein säuberlich notiert. So aber bleibt von der Schwachhauser Beiratssitzung nur ein nüchterner Beschluß für die Nachwelt erhalten: Einstimmig grünes Licht für das Drogentherapiezentrum am Schwachhausener Ring 110.
Donnerstag abend gegen 22 Uhr: Bernt Huse (CDU) verliest den Antrag: „Der Beirat begrüßt, daß der Fachausschuß „Soziales und Gesundheit“ gemeinsam mit der Bürgerinitiative Nutzungsformen für die Therapieeinrichtung erarbeitet hat.“ Einer der rund 100 versammelten Anwohner schreit: „Gegen die Bürgerinitiative.“ Die hatte bereits vor der Versammlung ihren Protest schriftlich formuliert: „Es gilt, der sich abzeichnenden Entwicklung entgegenzuwirken, die Villen unseres Viertels verstärkt als Unterkünfte für Ausländer und Drogenabhängige zu nutzten.“
Die Diskussion verläuft turbulent. Ein Grauhaariger ruft: „Wir sind doch nicht bei Werder Bremen“. Dabei erinnert der Abend in der Schule Freiligrathstraße mehr an das Spiel Deutschland-Kroatien.: viele Fouls und Tritte ans Schienenbein .
Als Boris Pavlekovic, der Leiter des Therapiezentrums, aufsteht, um über das Konzept des Trägervereins STEPS zu sprechen, ruft ein Herr im karierten Anzug: „Sie Flegel, nehmen Sie die Hände aus den Taschen.“ Boris Pavlekovic läßt sich nicht beirren. Er sagt, daß die Drogenabhängigen des Projekts Bafög und Sozialhilfe bekommen. „Das ist ja noch schlimmer“, wird er unterbrochen. Warum die Nachbarn nicht früher informiert worden seien? , wollen viele wissen. Eine ältere Dame fordert mit zittriger Stimme die „Bewachung der Insassen rund um die Uhr“. Die Miete von 10.000 Mark sei viel zu hoch. „Mietwucher“ brüllt der Mann im karierten Sacko.
Eine blonde Frau sagt: „Die Leute hier verstecken sich hinter der Kostendiskussion. Eigentlich haben die Bürger doch nur psychische Probleme mit dem eigenen Suchtverhalten.“ Eine Woge des bösen Gemurmels legt sich über die Worte der Frau. Dann wird Kritik an der Geschäftsführung von STEPS laut. Erich Cohrssen von der Bürgerinitiative spricht über Personenverfilzung im Vorstand. Er nennt auch den Name Uwe Wischer, Gründungsvorsitzender des Vereins Drogenhilfe und Ehemann der Sozialsenatorin. Der Herr im karierten Sakko ruft: „Die ist doch nicht sauber die Tante“. Auch von Hennemann ist plötzlich die Rede. „Der ist auch nicht rechtzeitig angegriffen worden“, weiß einer aus den mittleren Stuhlreihen.
Ortsamtleiter Werner Mühl spielt immer mal wieder den Schiedsrichter. Mal bimmelt er mit der Amtsglocke. Mal schüttelt er nur den Kopf: „Bitte meine Damen und Herren.“
Jetzt steht einer auf, der plötzlich eine kleine Rede hält. Er versucht die Emotionen in Argumente zu kleiden. Er spricht über die leeren Sozialkassen und die „überhöhten Fördersätze von 170 Mark für jeden Drogenabhängigen.“ Man solle kein Geschäft mit dem Elend machen“, sagt er. Vor allem nicht am Schwachhauser Ring.
Immer wieder versucht Drogenbeauftragter Ingo Michels zu beschwichtigen, der Fördersatz werde vom Rentenversicherungsträger festgelegt. Er weist auf die guten Erfahrungen seiner Behörde mit dem Therapieträger STEPS hin. Irgendwann spricht er in die Wand aus Geräuschen: „Eine so starke Ablehnung haben diese Menschen nicht verdient.“ Das veranlaßt den Mann im karierten Sakko zu dem Zwischenruf: „Die sollen sich doch einen goldenen Schuß setzten. Das kostet dann gar nichts mehr.“ us
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen