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Entscheidung in der Dominikanischen Republik

■ Stichwahl zur Präsidentschaft: Angst vor Unruhen bei knappem Ergebnis

Managua (taz) – In einem von gegenseitigen Betrugsvorwürfen vergifteten Klima sind morgen die BürgerInnen der Dominikanischen Republik aufgerufen, in einer Stichwahl ihren zukünftigen Präsidenten zu bestimmen. Bei den Großveranstaltungen, mit denen der Sozialdemokrat José Francisco Peña Gómez, Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, und Leonel Fernández, der Kandidat eines Mitte-rechts-Bündnisses, am Donnerstag in Santo Domingo den Wahlkampf abschlossen, blieben Argumente hinter persönlichen Anwürfen zurück.

Während Peña Gómez seinem Gegner vorwarf, seinen Wahlkampf mit Staatsgeldern zu finanzieren, behauptete Fernández, die Partei der Dominikanischen Revolution (PRD) kaufe die Wahlausweise politischer Gegner auf. Beide Seiten haben während des langen Wahlkampfes vor allem Emotionen zu schüren versucht, Bevölkerung und Medien des Landes sind polarisiert.

Der Anwalt Leonel Fernández, der in der ersten Runde am 16. Mai mit 38,87 Prozent der Stimmen nur den zweiten Platz belegte, hat den Umfragen zufolge die besseren Karten. Nicht nur, weil er mit dem greisen Präsidenten Joaquin Balaguer, dessen Christlichsoziale Reformpartei (PRSC) das Zünglein an der Waage spielen kann, einen Pakt abgeschlossen hat, sondern auch weil ein großer Teil der Bevölkerung den schwarzen Peña Gómez aus rassistischen Vorurteilen ablehnt. Die zu 70 Prozent mulattischen Dominikaner definieren ihre nationale Identität in erster Linie als Abgrenzung zu den mehrheitlich schwarzen Bewohnern des benachbarten Haiti.

Der 59jährige Peña Gómez, dem die Sudelpropaganda der Rivalen vorwirft, von haitianischen Eltern abzustammen, mußte einen Teil seines Wahlkampffonds in eine Dokumentation investieren, die belegen soll, daß sein Vater, der 1937 bei einem Massaker an haitianischen Erntearbeitern umkam, bereits Dominikaner war und seine Mutter sogar auf dominikanischem Territorium zu Welt kam.

Nach der Ära Balaguer bringt die Wahl auf jeden Fall einen Generationswechsel. Beide Kandidaten verfechten eine Modernisierung des klientelistischen Systems und haben sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben. Doch während Peña Gómez seit dem Mord am Diktator Trujillo im Jahre 1961 in der Politik mitmischt, repräsentiert der 43jährige Mulatte Leonel Fernández die jüngste Generation der dominikanischen Politiker. Er konnte sich dank eines haushohen Sieges bei internen Vorwahlen in den verknöcherten Strukturen der „Partei der dominikanischen Befreiung“ (PLD) durchsetzen und steht trotz seiner linken Vergangenheit für Pragmatismus und gemäßigte Reformen. Aber sein Pakt mit dem alten Balaguer, der sich wegen einer Gesetzesreform nach dem Wahlschwindel von 1994 nicht um eine achte Amtszeit bewerben kann, würde wohl den Rhythmus der Modernisierung bestimmen und scharfe Maßnahmen gegen die alles durchwuchernde Korruption verhindern.

Aber auch Peña Gómez, dem persönlich wenig vorgeworfen werden kann, hat in seinem Team Leute, die eher ins Gefängnis als in die Regierung gehörten. Und seine Partei, die PRD, hat während ihres achtjährigen Interregnums 1978 bis 1986 mehr Korruptionsskandale hervorgebracht als Balaguer in über 20 Jahren.

Während sich die erste Wahlrunde im Mai durch Transparenz der Wahlbehörden und Disziplin der Wähler auszeichnete, hegen viele für die Stichwahl die schlimmsten Befürchtungen. Je knapper das Ergebnis ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß der unterlegene Kandidat lautstark über Wahlbetrug klagt und seine Anhänger zum Protest mobilisiert.

Und falls es dann zu Unruhen kommt, so fürchtet wenigstens Peña Gómez, könnte der fast 90jährige Balaguer die verworrene Lage zu einem Putsch nützen, um die Machtübergabe am 16. August doch noch einmal zu verhindern. Ralf Leonhard

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