Sozialabbau in kleinen Schritten

Was sich hinter dem „Sparpaket“ verbirgt: Weniger Geld für Kranke und Rentner. Am 9. Juli wird das Paket vom Bundestag weiter gepackt  ■ Von Barbara Dribbusch

Das sogenannte „Sparpaket“ enthält wichtige Gesetzesänderungen bei sozialen Leistungen. Zu den gestern beschlossenen Neuregelungen muß der Bundesrat zwar einberufen werden, die Gesetzesänderungen sind aber nicht zustimmungspflichtig durch den SPD-dominierten Bundesrat. Nach dem üblichen Verfahren wird der Bundesrat die Gesetze ablehnen, dann aber im September vom Bundestag wieder überstimmt werden. Folgende Änderungen werden voraussichtlich vom kommenden Jahr an gelten:

n Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: Erkrankte Beschäftigte bekommen künftig in den ersten sechs Wochen nur noch 80 Prozent des Entgelts weitergezahlt. Alternativ können die ArbeitnehmerInnen sich aber jeweils für fünf Krankentage einen Urlaubstag abziehen lassen. LehrerInnen, deren Urlaub ja festgelegt ist, können wahlweise zusätzliche Stunden unterrichten, um den sonst drohenden Lohnausfall auszugleichen. Der Gesetzesbeschluß greift aber erst mal nur in den Branchen, in denen die Lohnfortzahlung nicht tariflich geregelt ist, z.B. bei Bauarbeitern. Für mehr als die Hälfte der Beschäftigten, z.B. in der Metallindustrie und dem öffentlichen Dienst, sichern Manteltarifverträge die 100prozentige Lohnfortzahlung. Diese Tarifverträge müssen von den Arbeitgebern gekündigt werden. Für diesen Fall haben die Gewerkschaften schwere Arbeitskämpfe angedroht.

n Kündigungsschutz: Künftig genießen nur ArbeitnehmerInnen in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten Kündigungsschutz. Beschäftigte kleinerer Betriebe können somit ohne Angabe von Gründen und ohne Sozialauswahl gefeuert werden. Dies betrifft vor allem ältere ArbeitnehmerInnen. Als Vertrauensschutz gilt für schon Beschäftigte aber noch drei Jahre lang das alte Recht. Bisher lag die Kündigungsschutzgrenze in Betrieben mit fünf MitarbeiterInnen.

n Befristete Arbeitsverträge sind künftig bis zu einer Dauer von zwei Jahren erlaubt (bisher 18 Monate).

n Krankenversicherung: Das von der Krankenkasse gezahlte Krankengeld für Beschäftigte, die länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, wird gekürzt. Künftig gibt es nach sechs Wochen nicht mehr 80, sondern nur noch 70 Prozent vom Bruttogehalt als Krankengeld. Pech außerdem für alle jungen Leute, die erst nach dem 1. Januar 1997 das 18. Lebensjahr vollenden: Sie müssen künftig ihren Zahnersatz vollständig selbst zahlen.

Kuren werden von der Krankenversicherung in der Regel von vier auf drei Wochen gekürzt. Der Abstand zwischen zwei Kuren muß mindestens vier Jahre betragen. Wer kurt, muß für jeden Tag 25 Mark (Osten: 20 Mark) aus eigener Tasche zuzahlen. Ausgenommen davon sind Heilbehandlungen nach Operationen und Mütterkuren.

Wer Arzneimittel kauft, muß künftig eine Mark mehr zuzahlen. Bei kleineren Packungen sind von den Versicherten dann vier Mark, für mittlere Packungen sechs Mark und für Großpackungen acht Mark selbst zu berappen.

n Renten: Die Regelungen zum neuen Rentenrecht werden aufgrund eines Verfahrensfehlers erst am 9. Juli verabschiedet. Nach diesen Neuregelungen wird die Altersgrenze für Frauen schrittweise vom Jahre 2000 bis Ende 2004 von derzeit 60 auf dann 65 Jahre angehoben. Frauen der Geburtsjahrgänge nach 1939 müssen danach für jedes Jahr, das sie vor dem 65. Lebensjahr in Ruhestand gehen, mit Kürzungen von 3,6 Prozent rechnen. Wer schon mit 60 Jahren ausscheidet, bekommt 18 Prozent weniger Rente als bisher.

Auch für Männer werden Altersgrenzen vorgezogen. Vom Jahre 2002 an entfällt die sogenannte flexible Altersgrenze von bisher 63 Jahren. Männer, die dann vor dem 65. Lebensjahr in den Ruhestand wechseln, müssen ebenfalls mit Kürzungen von 3,6 Prozent pro vorgezogenem Rentenjahr rechnen.

Ausbildungszeiten werden künftig nur noch bis zu drei Jahren (bisher sieben) bei der Rentenbemessung berücksichtigt. Wer also beispielsweise nach langem Studium erst vom 30. bis zum 60. Lebensjahr an sozialversicherungspflichtig arbeitet, bekommt in der Rentenkasse nur noch 33 Jahre gutgeschrieben. Studenten, die mehr verdienen als monatlich 590 Mark, müssen Beiträge in die Rentenkasse einzahlen.

n Arbeitsförderung: Die Gesetzesänderungen zur Arbeitsförderung sollen erst nach der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden. Laut diesem Gesetz wird die Arbeitslosenunterstützung im nächsten Jahr eingefroren. Die Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld für Erwerbslose zwischen 54 und 57 Jahren wird verkürzt. Bei der beruflichen Wiedereingliederung von Behinderten soll die „Zweckmäßigkeit“ der Maßnahme stärker geprüft werden.