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Vietnamesen gehören nach Vietnam

Das meinen zumindest die südostasiatischen Nachbarländer. Sie schließen jetzt alle vietnamesischen Flüchtlingslager, weil das UNHCR seine Lagerfinanzierung eingestellt hat  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Mit verzweifelten Aktionen haben sich vietnamesische Boat- people am Wochenende in Thailand gegen ihre Rückkehr nach Vietnam gewehrt. Mehrere Lagerbewohner drohten mit Selbstmord, andere schnitten sich mit Messern in Arme und Bauch, als über 1.000 Polizisten und Paramilitärs am Samstag in den frühen Morgenstunden in das Sikhiu- Camp nördlich von Bangkok eindrangen. Die meisten der 4.000 Insassen fügten sich aber in ihr Schicksal.

Die erste Gruppe von 87 VietnamesInnen wurde am gleichen Tag nach Ho Chi Minh City, dem ehemaligen Saigon, geflogen. Bis zum Ende des Jahres sollen auch die verbleibenden Bootsflüchtlinge aus Thailand in ihre Heimat abgeschoben werden – wenn nötig, mit Gewalt.

Der Grund: In ganz Südostasien stellt das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR heute seine Finanzierung der Camps für die vietnamesischen Boat-people ein. Das war im Januar in Genf beschlossen worden. 21 Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs geht damit eine Ära zu Ende, die mit der dramatischen Flucht Hunderttausender Vietnamesen auf Fischtrawlern und Segelbooten über das Meer begann. Rund eine Million Menschen flohen nach dem Sieg der Kommunisten aus Vietnam, dazu kamen etwa 900.000 aus den Nachbarländern Kambodscha und Laos.

Bis Ende der achtziger Jahre galten die Boat-people in der westlichen Welt fast automatisch als Flüchtlinge mit Anspruch auf Asyl. Die meisten konnten sich in den USA niederlassen. Allerdings ermattete bald die Bereitschaft vieler Länder, die Flüchtlinge aufzunehmen. 1989, als der kalte Krieg zuende ging, beschlossen die wichtigsten westlichen Länder auf einer großen Flüchtlingskonferenz, künftig nur noch solche Boat- people als asylberechtigt anzuerkennen, die in ihrer Heimat politisch verfolgt worden waren. Alle anderen sollten zur freiwilligen Rückkehr überredet werden. Wer sich uneinsichtig zeigte, würde zwangsweise zurückbefördert. Der UNHCR zahlte eine „Wiedereingliederungsbeihilfe“ für die freiwilligen Rückkehrer und verpflichtete sich, zu überwachen, ob sie von den vietnamesischen Behörden in Ruhe gelassen würden. Die vietnamesische Regierung hat sich nach Aussage des UNHCR an ihre Zusage gehalten, die Rückkehrer nicht wegen ihrer Flucht aus Vietnam zu bestrafen.

Dennoch kamen immer mehr Flüchtlinge in den Lagern Südostasiens an. Sie hofften auch nach jahrelangem Aufenthalt im Camp, durch Beharrlichkeit doch noch in die USA oder ein anderes westliches Land kommen zu können. 8.000 bis 9.000 vietnamesische Boat-people waren zuletzt noch in der Region. Sie sollen nun bis Ende des Jahres abgeschoben werden. Malaysia und Singapur haben bereits in den vergangenen Wochen ihre letzten Lager geschlossden. In Hongkong leben noch rund 15.000 Boat-people in Lagern, die das UNHCR bis zur Rückgabe der britischen Kolonie an China in einem Jahr finanzieren wird; Peking hat bereits erklärt, es werde nach der Übernahme Hongkongs keinen einzigen vietnamesischen Flüchtling im Territorium dulden.

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