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Pieroth entdeckt die Theaterkultur

■ SPD hält Vorschlag des Wirtschaftssenators Pieroth (CDU), nur noch Kassenschlager zu finanzieren, für eine Lachnummer

Der stellvertretenden Vorsitzende im Kulturausschuß, Nikolaus Sander, kann sich das Lachen nicht verkneifen. „Ich empfehle Herrn Pieroth dringend, Theater zu besuchen und etwas für seine Geschmacksbildung zu tun.“ Was den SPD-Politiker amüsiert, ist der jüngste Sparbeitrag von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU). Dieser hatte am Wochenende vorgeschlagen, nur noch diejenigen Kultureinrichtungen finanziell zu unterstützen, „die Touristen in die Stadt bringen“. Theater, die hochwertige Kunst anböten, aber keine Gäste und damit Geld anlockten, müßten bei den Subventionen „hinten angestellt werden“.

Der an US-amerikanische Realitäten angelehnte Vorstoß werde von der SPD nicht mitgetragen, verspricht Sander. Schließlich habe die Kultur mit ihren unterschiedlichen Angeboten einen „Eigenwert“ und könne nicht „wie ein Touristikunternehmen“ behandelt werden. Auch in der Senatsverwaltung für Kultur wird Pieroths Vorstoß eher unter der Rubrik „gelungene Provokation“ abgebucht. „Daß in die Debatte um eine neue Kulturfinanzierung Bewegung rein muß, ist allen klar“, meinte Bernhard Woelki, Leiter des Büros von CDU-Kultursenator Peter Radunski. Der Staat habe aber die Aufgabe, ein „vielfältiges Kulturangebot“ zu fördern. Man habe den Eindruck, daß sich bei den „Kunstschaffenden der Stadt durchaus die Erkenntnis durchsetzt, daß der Staat nicht mehr soviel Geld hat wie in früheren Zeiten“. Daß sein Senator ein Auge auf die amerikanische Szene werfe, sei zwar richtig. Dort würden in der Regel avantgardistische Theater sich privat finanzieren und hätten Erfolg.

Doch Pieroths Schlußfolgerung, wer am Publikum vorbeispiele, solle künftig bei der Mittelvergabe zuletzt berücksichtigt werden, könne sein Haus „in dieser Absolutheit nicht teilen“. Es gehe für die Theater Berlins darum, wirtschaftlicher und effektiver zu arbeiten, so Woelki. Pieroths Vorschlag hält Woelki zudem auch für kaum praktikabel.

Im Vergleich zu den Theatern seien die Kosten der Opernhäuser weitaus höher und kämen ohne finanzielle Zuwendungen des Landes gar nicht aus oder müßten ihre Aufführungen stark einschränken. Es gehe auch darum, mit Geldern Stücke zu unterstützen, die kaum bekannt oder neu seien. „Ausschließlich Beethoven und Mozart zu spielen und dabei alles andere zu vernachlässigen, das kann es ja nun auch nicht sein“, so Woelki.

Nikolaus Sander von der SPD- Fraktion hält die Aufregung um den Vorschlag des Ex-Finanz- und jetzigen Wirtschaftssenators ohnehin für unangemessen – ja übertrieben. „Was Herrn Pieroth so alles einfällt, sollte man bitte schön nicht immer allzu ernst nehmen.“ Severin Weiland

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