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Holzbalken stürzen ins Frühstücksei

■ In Straßencafés, die wegen Bauarbeiten eingerüstet sind, lebt man gefährlich: Im „Gugelhof“ wurde ein Besucher von Balken fast erschlagen. Bauaufsicht für Sicherheit nicht zuständig, sondern nur die Wirte

Wer sich derzeit tagsüber vor eines der zahlreichen Straßencafés setzt, die wegen Bauarbeiten eingerüstet sind, lebt gefährlich. Keinerlei Beschränkung sorgt für die Sicherheit der Cafébesucher. Denn ob Tische unter Rüstungen aufgestellt werden, liegt im Ermessen der Wirte. Das Betreten der Cafés geschieht somit auf eigene Gefahr.

Vor dem Restaurant „Gugelhof“ an der Ecke Knaack-/Kollwitzstraße im Bezirk Prenzlauer Berg kam es gestern vormittag zu einem schweren Unfall. „Wir saßen vor dem Café, als plötzlich jemand ,Achtung!‘ rief“, erzählte Hannah Hufschmidt, die dort frühstückte. „Dann sausten vier Holzlatten herunter.“ Eine traf ihren Freund Peer N. am Kopf. Die Latten hatten sich aus dem Aufzug für Baumaterial gelöst.

An dem Eckhaus Gugelhof wird die Fassade erneuert. Das gesamte Haus ist zwar eingerüstet und mit Stoffbahnen sowie einer Holzbrüstung gegen herunterfallende Gegenstände abgesichert. In Höhe des Baustellenaufzugs ist diese Sicherung jedoch ausgespart, damit Baustoff verladen werden kann. Hier hatten der Wirt Tische aufgestellt.

Peer N. hatte noch Glück im Unglück, denn der Balken fiel waagerecht und nicht schräg. Er liegt mit schwerer Gehirnerschütterung und Verdacht auf Schädelblutungen im Krankenhaus. „Laut der Bedienung ist noch nie etwas passiert, die Tische haben sie sofort von der Unfallstelle weggestellt“, so Hannah Hufschmidt.

Nach Angaben von Birgit Wolf, technische Leiterin im Bauordnungsamt Prenzlauer Berg, hat ihr Amt keinerlei Eingriffsmöglichkeiten, wenn Wirte ihre Tische unter Gerüsten aufstellen. Ihr Amt prüfe lediglich, ob die Gerüste ordnungsgemäß aufgestellt worden seien. Zwar habe es vor einigen Wochen an der Gugelhof-Baustelle Probleme wegen unsachgemäßer Einrüstung gegeben. Die Fehler seinen aber behoben worden. Von seiten des Bauordnungsamtes liege nichts gegen die Baustelle vor, sagte sie. Allerdings höre die Zuständigkeit ihres Amts auch mit der Überprüfung des Gerüsts auf. Das Straßenland werde an die Wirte vermietet, und was die mit dem Bürgersteig anfingen, sei ihre Sache. Wolf findet es zwar „absurd“, wenn Tische unter Baugerüsten aufgestellt würden, sie könne jedoch nur an die „Vernunft der Kneipenwirte appellieren“. Vom Gugelhof-Wirt war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

Für die Wirte am Wasserturmplatz heißt „Vernunft“ vor allem Umsatz. Seitdem die Gegend zwischen Kollwitz- und Wasserturmplatz zur ersten Adresse für Ausgehtouristen geworden ist und ein Café neben dem anderen aus dem Boden schießt, heißt auf Tische verzichten Geld verschenken. Da überall gebaut wird, sind nur zwei der neun Kneipen, Cafés oder Restaurants an der neuen Ausgehmeile entlang der Knaackstraße zwischen Kollwitzstaße und Wasserturmplatz in Prenzlauer Berg baustellen- und gerüstfrei. Draußen sitzen können die Cafébesucher jedoch überall. Tobias Rapp

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