: Ohne Trauring keine Wohnung
Bezirksämter ignorieren Behördenweisung: Keine Sozialwohnung für Unverheiratete, kinderlose Paare oder gar Homosexuelle ■ Von Heike Haarhoff
Zusammenleben ohne Ring am Finger? In Hamburg, im Jahre des Herrn 1996? Das kann nicht rechtens sein, schon gar nicht im sozialen Wohnungsbau. Davon sind die sieben Bezirksämter überzeugt. Bis heute weigern sie sich standhaft, die fachliche Weisung der Baubehörde aus dem Jahr 1981 umzusetzen, nach der eheähnliche Lebensgemeinschaften bei der Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen (“§ 5-Scheine“) wie Ehepaare behandelt werden können.
Statt dessen, das ergab eine Umfrage der taz bei allen Wohnungsämtern, verfahren sie nach Gutdünken. Unverheiratete, kinderlose Paare – obwohl sie sämtliche Einkommenskriterien erfüllen – haben auf dem Hamburger Sozial-Wohnungsmarkt keine Chance. Die Bezirksämter verweigern schlicht die Wohnberechtigungsscheine.
Die Hamburger Baubehörde hatte bereits vor 15 Jahren erkannt, daß die Regelungen im Wohnungsbaugesetz die gesellschaftliche Realität verkennen. Weil das Bundes-Gesetz nur und ausdrücklich Familien sowie Paare mit Kindern als Sozialwohnungsberechtigte nennt, tatsächlich aber immer mehr Menschen ohne Trauschein zusammenleben, wies die Baubehörde damals die Bezirke an: „Partnerschaften, die nicht nur vorübergehend einen gemeinsamen Haushalt führen oder führen wollen, können wie Ehepaare behandelt werden.“ Sie erhalten dann – genau wie Familien – einen gemeinsamen Wohnberechtigungsschein, „wenn der Vermieter bestätigt, daß er mit dem Einzug einverstanden ist und keine anderen Berechtigten für geeignet hält“, schränkt Sprecher Jürgen Asmussen ein.
Doch bis zu den Bezirken ist diese Neuigkeit offenbar nicht durchgedrungen: „Gemeinschaftsscheine stellen wir grundsätzlich nur aus, wenn Verwandtschaftsbeziehungen des ersten oder zweiten Grades vorliegen“, lehnt der Bezirk Nord jede Ausnahme kategorisch ab. Ähnlich streng weist der Bezirk Mitte alle frustrierten Paare ab, die zwar Anrecht auf einen § 5-Schein hätten, aber die Heirat boykottieren. „Es sei denn“, sagt die Sachbearbeiterin, „ihr Einkommen ist so hoch, daß sie eine Wohnung im dritten Förderungsweg beziehen könnten.“ Dann stelle sie schon mal, nach Überprüfung, versteht sich, großzügig einen Gemeinschaftsschein aus. Ähnlich handhaben es die Bezirke Altona und Wandsbek – letzterer mit der Einschränkung: „Es muß sich zusätzlich um den Erstbezug handeln.“
Liberal verhält sich einzig der Bezirk Eimsbüttel: Für Witwer, „die sich im Alter verlieben, aber nicht ein zweites Mal heiraten wollen“, hat man hier großes Verständnis: Da wird ein Auge zugedrückt und der Partnerschein vergeben. Und auch dann, wenn der prüfende Blick des Wohnungsamts „gestandene Gemeinschaften“ erkennt. „Ein Indiz“ dafür wäre, so der Sachbearbeiter, „daß es einen gemeinsamen Wohnsitz gibt“. Die Eimsbütteler Weltoffenheit allerdings endet bei der Frage nach der Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare: Einen Partnerschein können die sich abschminken: „Die Wohnungsnot ist groß, da müssen wir Prioritäten setzen.“
Bergedorf vergibt die begehrten Papiere in allen fünf Sozialwohnungs-Förderungswegen nur an Unverheiratete mit Nachwuchs. „Das würde wohl auch für gleichgeschlechtliche Paare mit Kind gelten“, vermutet das Wohnungsamt. In Wandsbek hingegen weiß man gar nicht, „wie so was außer bei Heterosexuellen gehen soll“. Zwar müsse das Kind nicht nachweislich ein gemeinsames sein. Doch den Ämtern ist es keinesfalls zu peinlich, Mutterpässe oder schriftliche Bescheinigungen eines Arztes über die Schwangerschaft zu verlangen: „Oft wird das ja nur vorgetäuscht“, weiß man in Harburg.
Einen Wohnberechtigungsschein einzuklagen, ist schwierig. „Das liegt immer im Ermessen des Sachbearbeiters“, so Asmussen. Doch hat die Baubehörde ein MieterInnen-Telefon eingerichtet (
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