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Europaparlament will wissen, ob Bonn gelogen hat

■ Abgeordnete fordern die Aufklärung des Münchner Plutoniumskandals

Brüssel (taz) – Gegen den erbitterten konservativen Widerstand hat das Europaparlament gestern in Brüssel die EU- Kommission beauftragt, die Hintergründe des Münchner Plutoniumskandals zu überprüfen. Dabei geht es um die Frage, ob entweder die Bundesregierung oder die europäische Atomaufsichtsbehörde Euratom gegen europäisches Recht verstoßen und die Gefährdung von Flugpassagieren durch Plutonium zu verantworten hat.

Am 10. August 1994 war der Spanier Raphael Torres im Auftrag des bayerischen Landeskriminalamtes mit 400 Gramm Plutonium im Koffer in einer Lufthansamaschine von Moskau nach München gereist. Ein verdeckter Ermittler hatte Torres für das Material 265 Millionen Dollar geboten. Nach Darstellung der Regierungen in Bonn und München hat der Geheimdienst lediglich bereits vagabundierendes Plutonium sichergestellt. Doch laut Euratomvertrag hätte der gefährliche Stoff nie transportiert werden dürfen, sondern bereits in Moskau beschlagnahmt werden müssen.

Die Beamten von Euratom behaupten, erst im nachhinein am 10. August von der Aktion erfahren zu haben. Die Bundesregierung will die Aufsichtsbehörde bereits Ende Juli informiert haben. Die EU-Kommission muß nun klären, wer von beiden gelogen hat. Nach Ansicht des Europaabgeordneten Martin Schulz (SPD) läuft es in beiden Fällen auf einen Untersuchungsausschuß im Europaparlament hinaus.

Dieser Ausschuß wird sich auch mit der Frage befassen, wieweit deutsche Geheimdienste den Plutoniumschmuggel angeheizt haben, den sie angeblich bekämpfen. Neben Sozialdemokraten und Grünen fordern auch die europäischen Liberalen Aufklärung. Die Entschlossenheit wurde gestern noch durch den Versuch einiger CDU-Abgeordneter bestärkt, die Verbreitung einer simplen Statistik zu verhindern. Das Zahlenwerk belegt, daß Plutoniumschmuggel ein deutsches Problem ist. In Europa wurde bisher 34mal Plutonium aufgegriffen, lediglich viermal geschah das außerhalb der BRD. Alois Berger

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