: Nur ein Frühpensionär muß wieder ran
■ Hochbezahlte Frührentner können jederzeit an ihren Schreibtisch zurückbeordert werden. 50 einstweilige Ruheständler des Senats sind die logische Konsequenz des Personalabbaus im Staatsdienst
Die Stadt hat ein neues Gesellschaftsspiel: Ruheständler outen. Von CDU-Hinterbänklern bis zu manchem Bündnisgrünen reicht die Empörung über Staatsdiener, die „auf Kosten der Steuerzahler spazierengehen“. 50 Frühpensionäre haben die Senatsverwaltungen in den letzten Wochen in den „einstweiligen Ruhestand“ entlassen. Die Aufregung ist künstlich. Die Versetzungen sind die Konsequenz des allseits begrüßten Sparens durch Personalabbau.
Das roch nach Verschwendung: 20 Beamte quittierten vorzeitig ihren Dienst in der Wissenschafts- und Kulturverwaltung. Sozialsenatorin Beate Hübner (CDU) entließ 13 Ministeriale in den Ruhestand. Ihr Parteikollege aus dem Bauressort, Jürgen Klemann, entband einen Abteilungsleiter mit sechsstelligem Ruhegehalt. Und auch in Ingrid Stahmers Schulbürokratie kehren 11 Staatsdiener nicht mehr an den Schreibtisch zurück. Die gescheiterte Spitzenkandidatin der SPD mußte sich dafür schwer watschen lassen: „Schon wieder teurer Ruhestand“ bleckte die B.Z., der Tagesspiegel fand, Stahmer dünne ihre Verwaltung aus.
Tatsächlich hat Stahmer bei der Fusion der Schul- und der Jugendverwaltung wohl nur in einem Fall das Beamtengesetz mißbräuchlich ausgelegt: Sie ließ den Chef der Z-Abteilung (Personal und Haushalt) des Schulressorts ziehen, obwohl der Leiter der gleichen Abteilung bei Jugend zur normalen Pensionierung anstand. Nun hat sie keinen Häuptling für Personal und Haushalt mehr, aber die (zusammengelegte) Z-Abteilung besteht weiter. Stahmers Fehler ist leicht auszubügeln: Sie braucht bloß die Neuausschreibung für die hochbezahlte Stelle in den Papierkorb werfen und den (zu) früh verrenteten Abteilungsleiter wieder zum Dienst bestellen. „Wir können die jederzeit zurückholen“, sagt Wolfgang Dobberke über die „Einstweiligen“. Dobberke muß es wissen. Er ist selbst Personalchef in der Senatsbauverwaltung.
Auch Dobberke ist betroffen vom Medien- und Populistengewitter im Sommerloch. Er stellte jenen Abteilungsleiter frei, den die Morgenpost glaubte, als Frühpensionär dem Publikum zur Schau stellen zu müssen. Das Problem: Das Arbeitsgebiet des Frühpensionärs wurde mit einem anderen Bereich zusammengelegt, seine Stelle gibt es nicht mehr. Genauso ist es in den anderen Senatsstellen: „Stellen sind weg“, versichert etwa die Sprecherin des Kulturressorts, Kerstin Schneider. „Es macht einfach keinen Sinn, den Heizer auf der E-Lok mitfahren zu lassen“, sagt Wolfgang Dobberke zur B.Z.- Forderung: weiterarbeiten.
Das Geschrei um die Frühpensionäre hält Dobberke für doppelzüngig. „Einerseits fordert der Steuerzahler, daß der öffentliche Dienst billiger wird.“ Andererseits gebe es Aufregung, wenn er die Beamten wegfallender Arbeitsbereiche „halbwegs sozial“ abbaue. Die Konditionen der Frühpensionierung nach dem Beamtengesetz sind in der Tat günstig: 75 Prozent des letzten Gehalts nehmen die Staatsdiener mit in den Ruhestand. Christian Füller
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