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Wahre Größe beklagt sich nicht

Der Berliner Kultursenator Peter Radunski (CDU) genießt nach den ersten sechs Monaten im Amt ein durchaus positives Image. Das jedoch verdient er nicht, denn seine Bemühungen um Effizienz gehen eindeutig auf Kosten der Vielfalt  ■ Von Ulrich Clewing

Politprofi und Kommunikator – viel mehr wußte man nicht über den erfolgreichen Wahlkampfmanager Peter Radunski, als er vor einem halben Jahr seinen Posten als Berliner Kultursenator antrat. Was von dem 57jährigen CDU-Politiker zu erwarten war, konnte sich niemand so recht vorstellen. Hinweise, daß der studierte Politologe, der in der vorangegangenen Legislaturperiode Senator für Bundes- und Europaangelegenheiten gewesen war, für das neue Amt besonders geeignet sei, waren eher spärlich gesät. Der verdiente Mitstreiter des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen, so das einhellige Urteil damals, brauchte halt einen anderen Job. Sein angestammtes Ressort war den Koalitionsverhandlungen vom letzten Winter zum Opfer gefallen.

Heute, sechs Monate danach, ist die Stimmung umgeschlagen. Radunski hat sich – durch mitunter drastische Methoden – bei den Berliner Kulturmachern offenbar Respekt verschafft. Vor allem die Fähigkeit zuzuhören, rühmen seine Gesprächspartner, und daß ihm aus Spargründen bisher noch kein fachkompetenter Staatssekretär zur Seite gestellt wurde, scheint keinen richtig zu stören.

Das positive Image steht in merkwürdigem Gegensatz zu den rigiden Einsparungen, die Radunski durchsetzen muß. 130 Millionen Mark soll sich die Kulturverwaltung laut Nachtragshaushalt bis 1999 aus den Rippen schneiden. In diesem Jahr sind die Opern und Theater dran. Die Deutsche Oper und die Staatsoper Unter den Linden mit jeweils gut drei Millionen Mark, das Berliner Ensemble, das Deutsche Theater und die Volksbühne je mit rund einer Million: Insgesamt 60 Millionen Mark müssen die Berliner Bühnen in den nächsten vier Jahren einsparen – soviel wie etwa das Maxim Gorki Theater in dieser Zeit kostet. Die Intendanten haben Radunskis Streichungen murrend geschluckt und notgedrungen akzeptiert.

Scheint auch besser so. Wer nicht spurt, der bekommt die harte Hand des Senators zu spüren. Im kleinen, aber feinen Internationalen Institut für traditionelle Musik, das bisher mit einer Million Mark pro Jahr unterstützt wurde, gehen Ende September die Lichter aus. In der Kulturverwaltung heißt es hinter vorgehaltener Hand, der Leiter der renommierten Einrichtung sei derjenige gewesen, der am wenigsten „Willen zum Sparen“ gezeigt hätte. Das erlaubt man sich in Berlin derzeit nur einmal.

Für die übrigen „Zuwendungsempfänger“ gilt das Stripteaseprinzip. Was Radunski die „Konzentration auf die Kernaufgaben“ nennt, bedeutet für die betroffenen Einrichtungen nichts anderes als eine bevorstehende Bankrotterklärung ihrer Arbeit: So geht es auch in dem Hickhack um das Jüdische Museum weniger um konzeptionelle Überlegungen als um seine „Finanzierbarkeit“.

Generell können sich die Sammlungen aufwendige Sonderausstellungen abschminken. Bestandssicherung steht auf dem Programm. Die Theater werden auf Zusatzveranstaltungen und teure Tourneen verzichten müssen. Und die Ballette der Komischen Oper und der Deutschen Oper sollen zusammengelegt werden. „Das Problem ist nicht, daß es in Berlin drei Opernhäuser gibt, sondern daß alle künstlerischen Kollektive, Chor, Orchester, Ensemble dreifach vorhanden sind“, sagt Radunski. Selbst an Frank Castorfs beliebter Volksbühne wird damit gerechnet, zukünftig 100 von 280 Stellen abzubauen. Daß es dadurch zu einem künstlerischen Profilverlust kommen könnte, hält der entschlossene Senator für „eine Schutzbehauptung“. „Bündelung der Kräfte“ ist eines von Radunskis Lieblingsworten. Effizienz ist angesagt. Daß so die kulturelle Vielfalt der Stadt aufs Spiel gesetzt wird, ficht ihn nicht an. Bedenken wischt er mit der souveränen Geste des Pragmatikers beiseite: „Dafür sind die Beträge alle noch zu namhaft.“

Die Bündelung der Kräfte hat aber noch einen anderen Effekt: die Entwicklung hin zur einer Repräsentativkultur. Wenn Berlin nicht nur de jure, sondern auch de facto Hauptstadt ist, will Radunski die Staatsoper, das Deutsche Theater, das Konzerthaus und die Komische Oper zu einem „Nationaltheaterverbund“ vereinen. Daß dadurch eine neue – und aufwendige – Verwaltung entstehen wird, wie etwa der Kulturmanagementexperte Klaus Siebenhaar vermutet, irritiert nicht, wenn es um wahre Größe geht.

Auch das ist sicher: Radunski wird Bonn in den Verhandlungen um eine Beteiligung am Berliner Kulturhaushalt nicht düpieren wie sein parteiloser, der SPD nahestehende Amtsvorgänger Ulrich Roloff-Momin, der die Unterstützung aus Bonn im Bundestag einst „lächerlich“ nannte. Radunski hält seine Stadt in Sachen Kulturfinanzierung für den „großen Nehmer“. Wie der Bund die hiesige Szene unterstütze, sei „schon sehr beachtlich“.

Das geht runter wie Butter – soll es wohl auch. Schließlich kennt Radunski seine Pappenheimer und weiß, wie man Schmeicheleien verteilt. Den Blick für das, was er für wesentlich hält, wird er dabei auch in Zukunft nicht verlieren. 60 Millionen Mark für die Berliner Kultur, die dieses Jahr zusätzlich vom Bund kommen könnten, hat er umstandslos dem Berliner Gesamthaushalt zur Verfügung gestellt. Der „Ehrlichkeit halber“.

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