: Deutschland donaldisiert
■ Erika Fuchs, die Übersetzerin von "Micky Maus", wird von ihren Verehrern mit einem Prachtband gewürdigt: Die große Sprachreformatorin wird in diesem Jahr 90
Erika Fuchs war jahrzehntelang die Übersetzerin der Donald- Duck-Geschichten. Den Donaldismus kann nur verstehen, wer nach dem Krieg in Deutschland mit diesen Heften sozialisiert wurde.
Die in einem Verband organisierten „Donaldisten“ sprechen gar von „donaldisiert“. „Ein entscheidender Punkt bei der Donaldisierung“, sagt Hans D. Heilmann, einer der Ehrenvorsitzenden der Gesellschaft, „war zum Beispiel, daß der klassische Grundkonflikt – anders als bei der Psychoanalyse, wo der Sohn zum Feind des Vaters wird, wenn er merkt, daß sein Vater seine Mutter liebt – der war, daß die Mutter dem Sohn seine erste Heftchensammlung wegschmeißt. Das hat nämlich jeder von uns erlebt. Da gibt es vom Verband auch einen Film drüber: ,Hausfrauenreport‘ heißt der. ,Die Verbrechen deutscher Hausfrauen an ihren donaldisierenden Kindern‘.“
Zurück zu Erika Fuchs, der als Donald-Übersetzerin die ganze Ehre des Verbands zukommt. In diesem Zusammenhang ist auch Klaus Bohns üppig mit Fotos ausgestattetes Buch entstanden: zu ihrem 90. Geburtstag, am 7. Dezember dieses Jahres. Sie wuchs im hinterpommerschen Belgard an der Persante auf, wo ihr Vater die Elektrifizierung leitete: „Wir mußten vor jedem Arbeiter 'n Knicks machen. [...] Bei uns daheim wurde nicht argumentiert und ausdiskutiert. Da wurde befohlen und gehorcht.“
Während des Ersten Weltkriegs wurden französische und russische Kriegsgefangene, die in der Überlandzentrale arbeiten mußten, bei ihr zu Hause einquartiert. Dabei hatte sie eines ihrer entscheidenden Erlebnisse: „Ich ging mit einem Franzosen Hand in Hand spazieren an der Persante. Und an dem großen Tor sagte ich: ,Gehn wir rüber ...‘ Und da sagte er: ,Darf nicht gehen.‘ ,Warum nicht?' ,Bin gefangen. Hab' gegeben Ehrenwort nur bis zum Tor.‘ Das hat mich so erschüttert als Kind, ich habe das gar nicht kapiert, daß das Gefangene sind, denn jeder redete mit denen, die gingen da rum ...“
Ihr Vater setzte dann ausgerechnet mit Hilfe der unbeliebten Sozialdemokraten durch, daß sie mit einer Freundin zusammen als erste Mädchen das Knabengymnasium besuchen durften. Über ihr anschließendes Kunstgeschichtsstudium in München und London erzählt sie: „Das mit den zwanziger Jahren ist ganz unübertroffen. Viel, viel gravierender als später die 68er-Kostümierung. Als wir Mädchen uns die Haare abgeschnitten haben, da war wirklich die ganze Bürgerschaft überzeugt, daß diese Welt untergeht.“
Ihre Doktorarbeit schrieb Erika Fuchs 1935 über den Rokokobildhauer Johann Michael Feichtmayr. Ihr sympathisierender Biograph Bohn entdeckt darin bereits „dagobertistische Diktion“ und im archivalischen Anhang jene Liebe für die „archaische, altertümlich deuchende Sprache“, die dann in den Donald-Geschichten wiederkehrt: „Oder, nach Kasimir Kapuste: ,Wenn unsereins eine Doktorarbeit schreibt, dann hat er was davon‘.“
1932 heiratete Erika Fuchs, geborene Petri, den Erfinder (sic!) und Fabrikanten Günter Fuchs und zieht mit ihm ins fränkische Schwarzenbach: „Dann hab' ich Kinder gekriegt, zwei Söhne, hat auch Spaß gemacht.“ Günter Fuchs arbeitete später an der V2 mit. 1945 kamen die Amerikaner in ihre Kleinstadt: „... die hatten Gummisohlen an ... Das war für jemand, der gewöhnt ist, daß ein Soldat mit Krach verbunden ist, eine Sensation allein schon.“
Nachdem die dänische Gutenberghus-Gruppe 1951 in Stuttgart den Ehapa-Verlag gegründet und eine deutsche Übersetzung des Disney-Comics „Micky Maus“ herausgebracht hatte, fing sie dort als Übersetzerin an. Später wurde sie sogar Herausgeberin.
Mit klassischer Bildung und entsprechendem Zitatenschatz „donaldisierte“ sie von dort aus in all den Nachwendejahren die deutsche Westjugend – derart, daß diese die ganze „wertvolle Jugendlektüre, von führenden Pädagogen empfohlen“ (wie „Die Rasselbande“) völlig verschmähte.
Der Hauptteil des Bohnschen Buches über Erika Fuchs nun befaßt sich mit ihrer Übersetzungsarbeit – und den dabei verwendeten klassischen rhetorischen Figuren (Hyperbel, Synekdoche, Alliteration und so weiter) – gewissermaßen, um ihr auf die ruhmreiche Schliche zu kommen.
Aber wie Donald, der ja auch in all seinen Geschichten scheitert, gelingt auch Bohn das nicht ganz: Erika Fuchs war so singulär, weil sie – wie H. D. Heilmann vermutet – nicht einmal wußte, wie gut sie war, weswegen sie auch schlechter wurde in den ruhmreichen letzten Jahren: „Aber damals hat sie die ganze deutsche Herrschaftssprache karikiert, ironisiert und ad absurdum geführt.“ – Und das soll ihr erst einmal einer nachmachen! Helmut Höge
Klaus Bohn: „Das Erika Fuchs Buch“. Dreidreizehn-Verlag, Lüneburg 1996 (Tel.: 04131/52305). 190 Seiten, gebunden, zahlreiche farbige Abbildungen, 29,80 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen