■ Press-Schlag: Köpfte der Neffe den Onkel Penew?
Als Nikolaus Alexandrowitsch am 16. Juli 1918 dahinschied, war es bekanntlich auch um Alexandra Fjodorowna geschehen. Als Ludwig XVI. im Januar 1793 den letzten Gang bereits getan hatte, saß Marie Antoinette noch der Kopf auf den Schultern. Im Oktober war dann allerdings auch die Witwe Capet guillotiniert.
Die Geschichte ist, man merkt es, durchzogen von solchen Ereignissen. Um sicherzugehen, wird man gern die ganze Sippe los. In Sofia hat man soeben den Trainer der bulgarischen Fußballer geköpft. Noch nicht richtig. Abgesetzt ist er bereits. So hat es bei Hugo Capet bekanntlich auch angefangen. Hristo Bonew kommt. Dimitar Penew (51) soll schuld sein am relativ bescheidenen Abschneiden der bulgarischen Kicker bei der jüngsten EM.
Über den Zar ist zu sagen, daß ihm letztlich zum Verhängnis wurde, zu lange am autokratischen Prinzip festgehalten zu haben. Das kann man Penew nicht vorwerfen. In keiner anderen Mannschaft hatten die Untertanen soviel Macht. Die Macht ist die Mannschaft, hätte Penew sagen können. Weil er aber klug war, hielt er den Mund und ließ den reden, der auch das Sagen hatte: Hristo Stoitschkow.
Nach dem Ausscheiden droben in Newcastle hat Penew niemandem irgendeinen Vorwurf gemacht. Nun bleibt es an ihm hängen. Nicht ganz. Außerdem wurde der Spieler Ljuboslaw Penew aus dem Nationalteam ausgeschlossen. Ihm sollen auch keine EM-Prämien gezahlt werden. Lubo ist der Neffe von Onkel Dimitar. Er hatte im entscheidenden Spiel ein Tor für die Franzosen geköpft.
Die Witwe Capet hatte wenigstens noch einen verhängnisvollen Einfluß ausgeübt. Aber Lubo? Und Dimi? Die einzige Frage, die bleibt: Muß nun der Neffe für den Onkel bezahlen – oder der Onkel für den Neffen? Die Antwort kennt vermutlich mal wieder nur Stoitschkow. Peter Unfried
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