: Tschetschenische Dörfer unter Feuer
■ Mindestens 40 Menschen sterben im russischen Bombenhagel. Sicherheitschef Lebed macht Rebellen für neue Kämpfe verantwortlich. Moskau erteilt Befehl zur Festnahme von Rebellenführer Jandarbijew
Schali (AFP/dpa) – Eine Woche nach der Präsidentenwahl setzt die russische Führung in Tschetschenien wieder auf Härte. Die Armee bombardierte gestern erneut Dörfer in der Kaukasusrepublik. Bei einem Luftangriff auf die südostschetschenische Ortschaft Mechketi wurden nach Angaben der Behörden mindestens 20 Zivilisten getötet.
Nach Angaben einer AFP-Korrespondentin begann die Luftwaffe ihre Angriffe auf Mechketi am Dienstag. Ein Arzt im benachbarten Schali berichtete, ein Dutzend Schwerverletzter sei am Abend im Krankenhaus eingetroffen. Von ihnen seien fünf gestorben. Augenzeugen sprachen von „zahlreichen Toten“. Gestern bombardierten russische Flugzeuge den Ort mindestens zwei Stunden lang. Russische Soldaten sperrten mit Panzern die Zufahrt in das Dorf ab. Dadurch konnten auch keine Verletzten mehr ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Bereits am Dienstag waren 20 Zivilisten bei einer Offensive gegen das Dorf Gechi gestorben. Auch gestern setzten die Russen die Angriffe gegen Gechi und die Regionen Schatoj und Wedeno fort. Aus Gechi wurden erneut 42 Verletzte in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Russen gaben zwar an, sie hätten die Belagerung aufgehoben, doch die Angaben wurden nicht bestätigt. Auf russischer Seite waren am Dienstag acht Soldaten getötet worden. Wie hoch die Zahl der Opfer unter den Unabhängigkeitskämpfern war, wurde nicht bekannt.
Russen und Tschetschenen schoben sich gegenseitig die Verantwortung für die Kämpfe zu. Der Chef des nationalen Sicherheitsrates, Alexander Lebed, machte die Unabhängigkeitskämpfer für die Gefechte verantwortlich, betonte aber, er sei zu einer friedlichen Regelung des Konflikts bereit. Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, die russischen Truppen in Tschetschenien hätten den Befehl erhalten, Rebellenführer Selimchan Jandarbijew aufzuspüren und gefangenenzunehmen.
Das russische Parlament forderte Regierungschef Viktor Tschernomyrdin auf, die Abgeordneten über die Lage in Tschetschenien zu informieren. Diesen Vorschlag von Sergej Juschenkow, Mitglied des Verteidigungsausschusses des Parlaments, nahmen 245 Abgeordnete an. 20 stimmten dagegen. Der russische Oberfehlshaber in Tschetschenien, General Wjatscheslaw Tichomirow, habe „den Gehorsam verweigert und den Krieg wieder entfacht“, meinte Juli Rybakow, Abgeordneter der reformorientierten Partei „Rußlands Demokratische Wahl“.
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