■ Querspalte: Glatte Marke SPD
Es ist kein Geheimnis: Daß noch immer Menschen für diese Zeitung arbeiten – viel arbeiten und wenig verdienen –, hat nichts mit Masochismus, aber sehr viel mit Heimatgefühl zu tun. Wenn man sich zu Hause wohl fühlt, ist das Taschengeld nicht so wichtig. Insofern hat der neue starke Mann der SPD, der Dynamo Franz Müntefering natürlich ganz recht, wenn er sich fragt, warum eigentlich noch immer 800.000 Menschen Mitglied seiner Partei sind. Es waren schon mehr. Willy Brandt hatte die Mitglieder über die Millionengrenze gedrückt, Helmut Schmidt hat sie gehalten und Hans-Jochen Vogel ziehen lassen. Wegen Björn E. blieben vor allem die Frauen, bei Rudolf S. gaben auch sie ihr Parteibuch zurück, und unter Oskar L. wissen viele nicht, ob sie eigentlich noch Mitglied sind. Es fehlt ihnen eben an dem eingangs zitierten Heimatgefühl, börsendeutsch „corporate identity“ genannt.
Am Wochenende hat die Süddeutsche Zeitung mitgeteilt, der Müntefering Franz habe das Züricher Consulting-Unternehmen „Zintzmeyer & Lux“ mit der Aufgabe betraut, das Erscheinungsbild der Partei gegenüber den eigenen Mitgliedern zu optimieren. Es soll da nämlich nicht nur Genossen geben, die ihren Mitgliedsbeitrag noch an der Haustüre zahlen (noch nie was von Daueraufträgen gehört?), sondern auch solche, die nicht wissen, was sie auf die Vorwürfe politischer Gegner, ein lascher Haufen zu sein, antworten sollen.
Das wird jetzt anders: „Zintzmeyer & Lux“ hat schon andere Kaliber beraten und in ihrem Markenbewußtsein gestärkt: BMW, Lufthansa, Telekom. Nun also noch die „glatte Marke“ SPD. Bei Daimler-Benz arbeitet man jetzt länger und verdient weniger, hat aber dafür mehr „identity“. Warum also sollten nicht in Zukunft die Wähler wieder öfter SPD wählen, ohne genau zu wissen, warum? Für „Zintzmeyer & Lux“ eine leichte Aufgabe. Und stimmt erst wieder die „corporate identity“ der Mitglieder, dann muß man halt nur noch bei den Wählern den „shareholder value“ erhöhen. Oder? Philipp Maußhardt
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