: "Arbeitslose sind nicht wegzusparen"
■ Ursula Engelen-Kefer, stellvertretende DGB-Vorsitzende und Vorstandsvorsitzende der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, weist die arbeitsmarktpolitischen Sparpläne der Bundesregierung als verfehlt zur
taz: Bundesfinanzminister Theo Waigel hat die Bundesanstalt zum „verstärkten Sparen“ aufgefordert. Wo kann man dort sparen?
Engelen-Kefer: Es gibt hier überhaupt keine Möglichkeit zu sparen, denn die Arbeitslosigkeit ist wesentlich höher als angenommen und im Haushaltsansatz der Bundesanstalt zugrundegelegt. Wir haben Waigel immer davor gewarnt, daß er sich die Lage schönrechnet, indem er von viel zu günstigen Daten zur Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitslosigkeit ausgeht. Die logische Konsequenz ist jetzt eben ein höheres Defizit.
Waigel argumentiert damit, daß Arbeitsförderung durch Kredite finanziert kontraproduktiv sei.
Ich weiß gar nicht, was das soll. Die Bundesanstalt finanziert sich nicht aus Krediten, sondern aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und einem gesetzlich vorgesehenen Zuschuß des Bundes. Die Bundesregierung hat diesen für 1996 auf 4,3 Milliarden Mark begrenzt und damit wissentlich viel zu niedrig angesetzt.
CSU-Landesgruppenchef Michael Glos hat erklärt, die Bundesanstalt sei „immer etwas großzügig im Ausgabengebaren“. Man solle „sparen wie jede Hausfrau“. Was sagt die Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt dazu?
Das ist dummes Zeug. Wir können ja nicht die Arbeitslosen wegsparen. Wir hätten gerne alles getan, um die Arbeitslosigkeit niedriger zu halten. Aber das liegt nicht in der Verantwortung der Bundesanstalt, sondern ist die Konsequenz der wirtschaftlichen Entwicklung und des Versagens der Bundesregierung. Das Hauptproblem der Finanzmisere der Anstalt liegt doch darin, daß ihr Lasten von dieser Bundesregierung und damit auch von den Herren Glos und Waigel übertragen worden sind, die nicht dorthin gehören. Das sind die Kosten für die deutsche Einheit, also immer noch etwa 30 Milliarden Mark im Jahr, die nicht vom Beitragszahler zu finanzieren wären, sondern ausschließlich vom Steuerzahler.
Mit welchen Arbeitslosenzahlen rechnen Sie angesichts der geplanten Sparmaßnahmen?
Das wird verheerend sein. Wenn der Bundeszuschuß für die Bundesanstalt 1997 ganz gestrichen wird, dann bedeutet das eine Einschränkung der Arbeitsmarktmaßnahmen um etwa ein Drittel. Das wären dann im nächsten Jahr 200.000 mehr Arbeitslose als derzeit. Zusätzlich sollen die Maßnahmen für die Arbeitsmarktpolitik im Osten bis zum Jahr 2000 auf Westniveau gesenkt werden. Das wäre eine Reduzierung um zwei Drittel, das sind noch einmal 300.000 Arbeitslose mehr. Man müßte gerade jetzt in der Flaute die Maßnahmen zumindest auf dem Niveau von 1996 so lange halten, bis im Osten echte Arbeitsplätze vorhanden sind. Interview: Bernd Siegler
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