: Mutwilliger Abonnent
■ Bundesweite Großrazzia gegen „radikal“: Hausbesuche von Hamburg bis Berlin
Der Mann hatte das falsche Abonnement bestellt. Weil er – so der Durchsuchungsbeschluß – die verbotene linke „Untergrunddruckschrift“ radikal regelmäßig bezogen und gar durch „Zahlung des Abonnementpreises“ der „kriminellen Vereinigung radikal“ mutwillig „Hilfe geleistet“ haben soll, erhielt ein 23jähriger Flensburger gestern unangemeldeten Besuch. Dem schweren Tatvorwurf angemessen, stürmte um sechs Uhr früh ein maskiertes Polizei-Sonderkommando die Unterkunft des Abonnenten im autonomen Flensburger Wohnprojekt „Hafermarkt“.
Der SEK-Trupp wurde begleitet von Beamten des schleswig-holsteinischen Landeskriminalamts und einem Staatsanwalt. An dem Einsatz waren laut Zeugen auch Hamburger Beamte beteiligt. Türen wurden aufgebrochen, der mutmaßliche radikal-Helfer überwältigt und sein Zimmer nach Augenzeugenberichten „total auf den Kopf gestellt“. Der 23jährige Mann wurde anschließend erkennungsdienstlich behandelt, später aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Er soll laut Karlsruher Bundesanwaltschaft der „kriminellen Vereinigung radikal“ nicht nur per Abo geholfen, sondern sie auch „unterstützt“ haben, indem er mehrere Exemplare der radikal verteilte. Diese wiederum würde für „terroristische Vereinigungen“ werben.
Der Flensburger „Hausbesuch“ war nur Teil einer bundesweiten Razzia gegen mutmaßliche VerbreiterInnen der radikal, bei der gestern nach taz-Informationen Wohnungen in Hamburg, Buxtehude, Berlin, Köln, Ludwigshafen, Speyer und Freiburg durchsucht wurden. Bereits im Juni 1995 hatte die Bundesanwaltschaft bundesweit 55 Räume durchsuchen und vier vermeintliche Mitarbeiter des Zeitungsprojekts verhaften lassen.
Während die vier Beschuldigten nach einem halben Jahr Untersuchungshaft wieder auf freien Fuß kamen und die Haftbefehle gegen sie inzwischen aufgehoben wurden, sitzt der Kölner Frank G. noch immer im Knast. Er hatte sich nach einjähriger Flucht im vergangenen Monat in Bremen gestellt. Ein weiterer per Haftbefehl gesuchter mutmaßlicher Mitarbeiter des linken Polit-Magazins entzieht sich seit Juni 1995 dem Zugriff der Ermittlungsbehörden. Marco Carini
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