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Die Fundgrube für Strichartisten

■ Nach sieben Jahren wird das Bremer Comicmagazin „Panel“ eingestellt

So abrupt hatte sich die Redaktion ihren Abtritt wohl nicht vorgestellt. Nirgends in der neusten Ausgabe des „Panel“ findet sich ein Abschiedsgruß an die Leserschaft – und das, obwohl mit Heft Nr.16 die letzte Nummer des Bremer Comicmagazins in die Läden kommt.

„Zuviel Arbeit, zuviel Frust, und dauernd muß man hinter dem Geld her rennen“, erklärt Bert Dahlmann, einer der beiden Redakteure das Ende des Magazines. „Aber gescheitert ist das Heft eigentlich nicht.“ Schließlich war das „Panel“ bis zuletzt eine Plattform für Zeichner, die sonst in der auf kommerzielle Verwertbarkeit getrimmten deutschen Comicszene nicht einen Strich veröffentlicht hätten.

Angefangen hatte das „Panel“ 1989, und schon bald mauserte sich das Heft von Dahlmann und einem Kreis von aktiven Zeichnern zur Fundgrube. Zwar war das wahllose Hintereinanderstellen von lustigen Comic-Strips, Grafikexperimenten und Gruselgeschichten dem „Marktprofil abträglich“, so Dahlmann. Oder, wie der langjährige Mitzeichner Peka übersetzt: „Diese schräge Mischung interessierte eigentlich keinen.“ Doch das Niveau stieg von Heft zu Heft. „Ambixious Comics“, so der Untertitel des Magazins, wurde nach und nach in ganz Deutschland gelesen.

„Panel“ Nr. 8 brachte das erste Farbcover und den bis dahin fettesten Ärger. Bert Dahlmann war auf das Motto „Titten verkaufen sich“ angesprungen, wollte, daß ein Zeichner prallbusige Werbung parodiert. Das „Panel“ landete mit Pennälerhumor weit abseits des guten Geschmacks. Doch viele der unbekannten Strichartisten waren gut, bekamen woanders Chancen. „Maura würde ohne das 'Panel' bestimmt nicht so viele Plattencover illustrieren“, glaubt Peka. Markus Huber, Andreas Kaiser und Peka nutzten das Magazin als Sprungbrett zum eigenen Album. Bei anderen reichte es wenigstens zur Werbegrafik für die Sparkasse.

Mit der Nr. 10, Themenschwerpunkt „Channel Surfing“, setzte das „Panel“ vor drei Jahren selbst im Comicbereich bundesweit Maßstäbe. Der Leser zappte sich durch diverse Comic-Programme durch das Umblättern. Erstmals wurde durch diesen formalen Kniff die krude Comic-Mischung sinnvoll verklammert. Das „Panel“ machte ein einziges Mal in seiner Existenz als Ganzes Sinn, und das Zapping wurde bundesweit zum beliebten Kunstgriff. Mit der Nr. 12 jedoch begann der große Exodus der aktiv Zeichnenden aus der Redaktion. Das gemeinsame Biertrinken konnte nicht über die Enttäuschung hinweg helfen, daß das „Panel“ zwar qualitativ gewaltig zulegte, aber die Leserschaft nicht mitwuchs. Peka: „Als das Niveau höher wurde, wurde die Zielgruppe kleiner.“ Nun haben die beiden letzten „Panel“-Macher Dahlmann und Stefan Ernsting von der Kunstform Comicmagazin erst mal die Nase voll. Doch den Rückzug vom Heftchenmachen bedeutet das noch lange nicht. „Das hier ist keine Beerdigung, wir arbeiten schon an was Neuem“, verspricht Dahlmann. Und das glaubt man dem umtriebigen Anzeigenaquisiteur aufs Wort, wenn er mit einem Arm voller Rezensionsexemplare im Zimmer steht und sie umklammert, als könnte er sich niemals davon trennen. Lars Reppesgaard

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