: 2.500 Leichen erwartet
■ Das bisher größte Massengrab in Bosnien liegt unter einem Fußballplatz
Sarajevo (dpa) – Experten haben gestern mit der Exhumierung von Leichen aus dem bisher größten Massengrab in Bosnien begonnen. Nach Angaben eines UN- Sprechers in Sarajevo grub das Ermittlerteam des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag unter dem Fußballplatz von Nova Kasaba bei Srebrenica die Gebeine von vorerst sieben Leichen aus. Die Experten vermuten in dem Massengrab bis zu 2.500 Tote.
In der vergangenen Woche hatte das Expertenteam in Cerska ein erstes Massengrab mit 154 Leichen exhumiert. Den Toten waren zum Teil die Hände auf dem Rücken zusammengebunden worden. Zahlreiche Leichen wiesen Einschußlöcher im Kopf auf. Nach dem Fall von Srebrenica vor einem Jahr haben bosnische Serben nach den Untersuchungen des Haager Tribunals etwa 8.000 Muslime ermordet und in zahlreichen Massengräbern verscharrt.
Die ethnischen Spannungen in Bosnien halten an. In der Region Doboj in Nordbosnien hat eine Gruppe von etwa 200 Muslimen am Sonntag Serben mit Knüppeln und Steinen angegriffen. Die Muslime – überwiegend Frauen – wollten Getötete aus einem Grab bergen. Die Polizei sei nicht gegen die Gewalttäter vorgegangen, sagte der Sprecher der UN-Polizei (IPTF), Alex Ivanko.
Heute tritt der neue Sonderbeauftragte für die Herzegowina- Hauptstadt Mostar, Sir Martin Garrod, sein Amt an. Er ist nach Hans Koschnick und dem Spanier Ricardo Perez Casado bereits der dritte EU-Verwalter in Mostar. Parallel dazu will das neu gewählte Stadtparlament einen Bürgermeister bestimmen. Unklar war gestern noch, ob die 16 kroatischen Abgeordneten der ersten Sitzung des Stadtparlaments beiwohnen werden. Die Kommunalwahlen vom 30. Juni in der ethnisch geteilten Stadt hatte die Muslim-Partei SDA mit rund 48 Prozent vor der kroatischen HDZ mit 45 Prozent gewonnen.
Die Vereinten Nationen haben inzwischen „auf höchster Ebene“ gegen die Festnahme des muslimischen Polizeichefs von Jablanica durch kroatische Polizisten protestiert. UN-Polizisten seien in Mostar bedroht worden, als sie den Mann, dem die bosnisch-kroatische Polizei Kriegsverbrechen vorwirft, in der Haft besuchen wollten, sagte Ivanko. Der Polizeichef von Jablanica, das zwischen Sarajevo und Mostar liegt, war in der vergangenen Woche bei einem Treffen von Polizeiführern in Mostar festgesetzt worden.
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