Figaro ist ins Herz getroffen

Mit dem Auge ist kaum zu erkennen, welcher Fechter am besten trifft. Fechtmeister Emil Beck ahnt allerdings inzwischen: der deutsche selten  ■ Aus Atlanta Matti Lieske

Die Zeit der schwellenden Segel und blitzenden Klingen, der kühnen Musketiere und rasanten Duelle ist auch im Kino eindeutig vorbei. Mantel-und-Degen-Klamotten oder große Piraten-Epen sind nicht mehr gefragt, wie unlängst Geena Davis als gefloppte Piratenkönigin erfahren mußte. Hollywood setzt lieber auf die geballte Vernichtungskraft vorwitziger Außerirdischer, die Gefräßigkeit der Velociraptoren, Wirbelstürme oder, wenn es denn schon Historie sein muß, Mel Gibson in abenteuerlichem Make-up und mit dem bluttriefenden schottischen Hochlandschwert.

Wer Scharmützel mit dem edlen Rapier sehen möchte, muß schon zum Fechtsport gehen. Der muß allerdings mit dem Handicap leben, daß es sehr schwer ist, zu erkennen, wer eigentlich verliert, weil der Betreffende nicht tot umfällt. Mit dem bloßen Auge ist die korrekte Trefferbewertung für einen Laien unmöglich, zahlreiche Aktive machen geltend, daß dies bei den Schiedsrichtern nicht anders sei.

Zum Glück ist vor einiger Zeit jemand auf die Idee gekommen, bunte Lämpchen anzubringen, die jeden Treffer getreulich anzeigen. So hat spätestens beim Semifinale auch der letzte Fecht-Ignorant im Saal begriffen, wie die Sache funktioniert. Die meisten wissen es ohnehin, weil das Publikum zu einem großen Teil aus den Teams der gerade auf der Planche fuchtelnden Athletinnen und Athleten besteht. Der Anteil der fachfremden Besucher und vor allem die Aufmerksamkeit des Fernsehens ist jedoch bei Olympia erheblich größer als sonst.

Deshalb fand die Italienerin Valentina Vezzali, die im Florett-Finale am Montag abend der Rumänin Laura Badea unterlegen war, das Mißgeschick ihrer Teamkollegin Diana Bianchedi auch im besonderen Maße bedauerlich.

Diese hatte sich bei einem Sturz von der bei den Vorkämpfen benutzten Hochplanche die Achillessehne gerissen. „In einer Sportart wie der unseren, die nur bei den Olympischen Spielen beachtet wird, ist so etwas besonders tragisch“, meinte Vezzali. Trotz der Proteste ihrer Betreuer setzte Bianchedi den Kampf gegen die Chinesin Huifeng Wang, der zum Zeitpunkt der Verletzung 8:8 stand, fort. Sie gewann mit 15:10. Da hätten selbst die Musketiere gestaunt.

Ein Lächeln im Rollstuhl

Danach ließ sich die Italienerin ins Krankenhaus bringen und vermochte, als sie vom Rollstuhl in den Wagen gehoben wurde, sogar schon wieder zu lächeln.

Danach war Monika Weber- Koszto aus Bonn, der ein ähnliches Unglück passierte, ganz und gar nicht zumute. Ihr Sturz von der Planche verlief zwar glimpflicher, dafür verlor sie ihr Viertelfinal- Gefecht. Bei einer 13:12-Führung gegen die Französin Laurence Modaine, die zuvor schon vom Ausscheiden Bianchedis profitiert hatte und kampflos weitergekommen war, prellte sie sich heftig den Fuß und konnte nach einer Behandlungspause nur unter großen Schmerzen und bitteren Tränen weitermachen. Sie verlor 14:15, und Bundesfechtmeister Emil Beck sauste mit grimmigem Blick aus der Halle F im Georgia World Congress Center.

Da zuvor schon Anja Fichtel- Mauritz und Sabine Bau ausgeschieden waren, schien es ihm, als werde es wieder nichts mit der ersten Medaille.

Zwei Stunden später schaute Beck schon erheblich fröhlicher drein. Da war unverhofft der Floretteur Wolfgang Wieland durch einen sensationellen Sieg gegen den kubanischen Favoriten Rolando Tucker Leon ins Halbfinale gekommen. Da blitzten die Äuglein des obersten Metalldetektors im deutschen Fechtsport vor lauter Vorfreude auf die greifbar nahe Medaille, die nur der Grundstein für eine reichhaltige Atlanta- Sammlung sein sollte. „Mit vier Medaillen gehören wir zur absoluten Spitze“, rechnete der gelernte Friseur Beck siegesgewiß vor, „wenn es weniger als vier sind, bin ich enttäuscht.“

Das Exemplar von Wolfgang Wieland mußte er allerdings alsbald abschreiben. Zwar hielt der Außenseiter gegen die Franzosen Lionel Plumenail und Franck Boidin zeitweise gut mit, verlor aber beide Gefechte am Ende klar. Boidin gewann Bronze, Plumenail unterlag im Finale dem Italiener Alessandro Puccini.

Emil Becks letzte Hoffnung

Emil Becks letzte Hoffnung sind nun die Mannschaftswettbewerbe, welche den erfolgssüchtigen Fecht-Boß auch bei den letzten Weltmeisterschaften 1995 in Den Haag herausgerissen hatten. Für die erfolgsgewohnten Florettfechterinnen ist morgen der Gewinn der Goldmedaille aber auch durch die Verletzung von Diana Bianchedi keineswegs leichter geworden.

An ihrer Stelle wird neben Valentina Vezzali und Giovanna Trillini, die in einem spannenden Gefecht Badea unterlag und gegen Modaine Bronze holte, Sandra Bortolozzi antreten. Und die ist nach Ansicht von Anja Fichtel- Mauritz sogar besser als Bianchedi. „Die Italienerinnen“, befürchtet Fichtel-Mauritz, „sind überwältigend stark.“