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Mehr oder weniger fester Wohnsitz

Nachts unterwegs in San Franciscos Mission District: Paul Budnitz' Film „93 Million Miles from the Sun“  ■ Von Kolja Mensing

Eigentlich sei er gar nicht von hier, versucht Henry einen aufdringlichen Penner abzuwehren, der ihm etwas über die Schönheiten des Sternenhimmels vorlallt. Eine konsequente Selbstverortung: Henry und die anderen drei Hauptfiguren in Paul Budnitz' Nachtfilm „93 Million Miles from the sun“ sind nicht von dieser Erde. Sie sind Außerirdische mit mehr oder weniger festem Wohnsitz in San Francisco.

Eddie und Maggie irren durch egozentrische Galaxien. Er deklamiert Gedichte von Burroughs und markiert mit Kaugummis seinen klebrigen Weg, sie, lateinamerikanische Bassistin, stolpert von einem schwarzen Loch zum nächsten. Page, ein durchgeknallter Buchhändler, sammelt Zeitungsausschnitte über den Mars. Und Henry, der auf der Suche nach seiner Exfreundin ist, lebt auf einem Stern namens Vergangenheit. Der Paul Budnitz hat die Dunkelheit abgewartet, bevor er seine Schauspieler durch den heruntergekommenenen Mission District von San Francisco geschickt hat. Filmmaterial vom Mars gab die Nasa zur Überraschung des Regisseurs kostenlos heraus. Die gewünschte Stimmung – Isolation, Entwurzelung, Depression – stellt sich so ganz von allein ein, die Akteure müssen eigentlich nur noch ein wenig verlassen dreinschauen. Leith M. Burke als marssüchtiger Buchhändler macht das am besten: Wie ein verrosteter Android zuckt er durch die Straßen und flackert sich mit toten Augen in seine Wachträume hinein. „Gott, bin ich froh, daß ich nicht so abgefuckt bin wie dieser Typ“, freut sich Eddy, als die vier einsamen Seelen erwartungsgemäß am Ende des Films zur gleichen Zeit in einem Nachtcafé eintrudeln.

Paul Budnitz hat sich ehrenvoll der Filmhochschule verweigert. „Ich bin ziemlich frustriert über das isolierte Leben hier in der Bay Area“, hatte er während der Berlinale gesagt, bei der sein Film Deutschlandpremiere hatte. „Wir sind ständig im Auto, und das macht es so schwer, neue Leute kennenzulernen. Die Leute sind so unhöflich.“ Sein Low-Budget- Erstling kommt aber wie eine allzu routinierte Seminararbeit zum Thema „Großstadt“ herüber. „Lassen Sie das Motiv ,Zufall‘ in Ihre Arbeit einfließen“, könnte die Aufgabe gelautet haben, denn Budnitz läßt seine vier Himmelskörper immer wieder fleißig aneinander vorbeirauschen. Der vermeintlich dramatische Zusammenhang zwischen den Einzelgeschichten bleibt im dunkeln. Ein wenig Sonnenlicht hätte dem blassen Film vielleicht nicht geschadet.

„93 million miles fom the sun“, Buch und Regie: Paul Budnitz. USA 1995

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