: Am Sonntag wird Kirch sein digitales Fernsehen starten. Konkurrent Bertelsmann ist ins Hintertreffen geraten und verhandelt über eine Einigung, der Decoderstreit ist schon beigelegt. Wird digitales Pay-TV eine große Monopolveranstaltung?
Am Sonntag wird Kirch sein digitales Fernsehen starten. Konkurrent Bertelsmann ist ins Hintertreffen geraten und verhandelt über eine Einigung, der Decoderstreit ist schon beigelegt. Wird digitales Pay-TV eine große Monopolveranstaltung?
Leo Kirch funkt bald auf allen Kanälen
Seit Jahrzehnten gilt Leo Kirch als der gambler des deutschen Fernsehens. Als erster steckte er (geliehenes) Geld in Hollywoodfilme wie „Casablanca“) und verkaufte sie erst viel später gewinnbringend an ARD und ZDF. In den Achtzigern setzte er auf die CDU, und die auf ihn und das Privatfernsehen. Wieder hatte er die Nase vorn – nicht mit seinem immer noch defizitären Sender Sat.1, sondern weil er an jedem zehnmal gezeigten Film, auch auf den anderen Sendern, zehnmal verdient. Seit zwei Jahren nun ist das digitale Fernsehen dran – obwohl niemand weiß, wieviel Geld sich damit verdienen lassen wird.
Noch kann sein Projekt ein Flop werden – und dennoch steht Leo Kirch kurz vor einem ersten Triumph über den fünfmal so großen Konkurrenten Bertelsmann. Schon in den vergangenen Wochen sah es immer düsterer für dessen digitale Pläne aus: Kirch schnappte sich die Pay-TV-Verträge mit einem Hollywood-Studio nach dem anderen. Sechs der sieben werden wohl ihre Produktionen künftig zuerst auf Kirchs Kanälen zeigen.
Gestern nun meldete die Süddeutsche Zeitung, Bertelsmann wolle seine eigenen digitalen TV- Pläne begraben und mit Kirchs DF1 fusionieren. Das solle am Freitag abend vor dem Hockenheimrennen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz bekanntgegeben werden. Damit würde dann aus dem bisher absehbaren Duopol ein handfestes Monopol. Und Bertelsmann überließe Kirch langfristig die Mehrheitsbeteiligung am Vertrieb des Pay-TV in Deutschland.
„Bertelsmann ist nicht k.o.“, schrieb das Hollywood-Fachblatt Variety letzte Woche, als der Einstieg von Murdoch bei Kirch bekannt wurde, „aber sie werden stehend angezählt.“ Aus Gütersloh kam denn auch ein schnelles Dementi zu dem SZ-Bericht: Man verhandele über alles mögliche, aber nicht über eine Fusion der Pay-TV-Pläne. Eine Beteiligung an Kirchs DF1 komme nicht in Betracht. Das könnte durchaus stimmen. Nur: Alles andere ist offenbar möglich – und gestern bestätigte Bertelsmann immerhin, daß man den Streit um verschiedene Decoder beilegen will: mittels einer gemeinsamen Schnittstelle.
Schon am Wochenende hatte der Spiegel gemeldet, Bertelsmann-Chef Mark Wössner wolle die Investitionssumme für sein Digital-TV von 5 Milliarden in zwei Jahren drastisch heruntersetzen. Milliardenschwere „Output- Deals“ mit Hollywood-Studios, wie sie Kirch (aus welchen Finanzquellen auch immer) derzeit abschließt, kommen dann gar nicht mehr in Frage.
Wollen die Bertelsmänner also Pläne für ihr „Club RTL“ nur eindampfen und nicht einstampfen, dann müssen sie sich mit weniger attraktiven digitalen Spartenkanälen – für Dokumentationen, Musik, Sport und Medizin – begnügen und diese an den schon existierenden Pay-TV-Sender Premiere andocken.
Das Handicap: Premiere bekommt nicht nur die meisten Filme von Kirch, der ist auch selbst mit 25 Prozent am Sender beteiligt, die Digitalpläne von Premiere sind deshalb durch den Streit der Konzerne seit einem Jahr blockiert. Und so dürfte nicht zuletzt der Abo-Sender im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen, die mit einem „Spitzengespräch“ zwischen Kirch und Wössner noch diese Woche abgeschlossen werden sollen. Bertelsmann hat Filme nötig – während Kirch Know-how für das Abonnentensystem gut gebrauchen kann. Vor allem aber stört die Konkurrenz: Sie verdirbt beiden die Profite.
Die Konsumenten dürfte dabei aber vor allem eins interessieren: daß beide sich auf einen gemeinsamen Decoder einigen – oder die beiden existierenden Systeme kompatibel machen. Sonst müßten schließlich die Zuschauer gleich zwei Zusatzgeräte auf ihren Fernseher stellen. Die Landesmedienanstalten, die seit langem über die künftigen Verkehrsregeln des Digital-TV mit den Konzernen verhandeln, würden das natürlich begrüßen, wie ihr Koordinator Thomas Kleist, Medienwächter aus dem Saarland, der taz bestätigte.
Ihn allerdings interessiert auch das Kleingedruckte. In erster Linie zwei Bedingungen wollen er und die anderen Medienwächter erfüllt wissen: Die Zuschauer dürfen nicht gezwungen werden, ganze Pakete zu abonnieren, sie sollen auch mischen können. Dabei sollen „mit gleichen Chancen“ auch kleinere Anbieter zum Zuge kommen. Und da müssen sich die beiden Konzerne etwas einfallen lassen. Sonst könnte ihnen ähnliches passieren wie im vergangenen Jahr. Da verboten die Brüsseler Kartellwächter die Mediaservice GmbH, eine gemeinsame Firma von Bertelsmann, Kirch und Telekom, die die Vermarktung in eine, nämlich ihre Hand bringen sollte. Michael Rediske
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