: Burundis Regierung bricht auseinander
■ Die Tutsi-dominierte Partei Uprona kündigt die Regierungskoalition mit den Hutu auf. Inmitten von Putschgerüchten flieht der Hutu-Präsident Ntibantunganya in die amerikanische Botschaftsresidenz
Bujumbura (AFP/AP/taz) – Auf dem Höhepunkt neuer Auseinandersetzungen in Burundi ist gestern die Regierungskoalition zwischen Hutu und Tutsi zerbrochen. Die von der Tutsi-Minderheit beherrschte Partei Union für den Nationalen Fortschritt (Uprona) kündigte die Regierungsvereinbarung vom September 1994 auf. Dieser zufolge regieren Hutu- und Tutsi-Parteien gemeinsam; die von Hutu dominierte Partei Frodebu stellt den Staatspräsidenten und die Uprona den Premierminister. „Das Exekutivbüro hat beschlossen, sich aus den Konsensvereinbarungen zurückzuziehen“, sagte der Uprona-Vorsitzende Charles Mukasi. Präsident Sylvestre Ntibantunganya habe sich als „unfähig“ erwiesen und mache mit den Hutu-Rebellen gemeinsame Sache. Die Uprona werde ab sofort mit den anderen Parteien verhandeln, um „dem Land neue Institutionen zu verleihen“.
Unmittelbar danach wurde bekannt, daß sich Präsident Sylvestre Ntibantunganya bereits am Dienstag abend in die Residenz der US- Botschaft geflüchtet hat. Während Politiker der Frodebu vor einem Militärputsch warnten, bestritt die von Tutsi gestellte Armeeführung, den Präsidenten stürzen zu wollen. Tausende aufgehetzte Tutsi-Jugendliche forderten zugleich bei Aufmärschen in der Hauptstadt den Sturz des Präsidenten.
Die Spannungen innerhalb der burundischen Regierung hatten in den letzten Wochen ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Nachdem Präsident Ntibantunganya und Premierminister Antoine Nduwayo zunächst gemeinsam eine afrikanische Eingreiftruppe angefordert hatten, um die Kämpfe zwischen der Tutsi-dominierten Armee und Hutu-Rebellen zu beenden, hatten radikale Elemente beider Seiten zum Widerstand aufgerufen. Nduwayo widerrief daraufhin unter Druck der Uprona seine Unterstützung für eine Eingreiftruppe. Als bewaffnete Hutu am vergangenen Samstag ein Massaker an mehreren hundert Tutsi verübten, wurden Rufe nach dem Sturz des Hutu-Präsidenten laut. Bei der feierlichen Beisetzung der Opfer des Massakers am Dienstag wurde der Präsident von den Trauernden ausgebuht und mit Steinen beworfen, ohne daß seine Tutsi- Leibwächter ihn schützten. Schließlich mußte er vorzeitig per Hubschrauber fliehen. Offenbar erfolgte seine Flucht in die US- Botschaftsresidenz unmittelbar nach diesem Erlebnis.
Die Zwangsrücksiedlung ruandischer Hutu-Flüchtlinge aus Lagern in Burundi in ihre Heimatdörfer wurde unterdessen ausgesetzt. Nach einer Zwischenbilanz wurden im Norden Burundis zwei Notlager mit insgesamt 30.000 Flüchtlingen aufgelöst. D.J.
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