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An allen Brettern herrscht Ruhe und Ordnung

■ Ein Besuch bei den Deutschen Schach-Jugend-Einzelmeisterschaften in Pinneberg

Trotz der 320 Kinder und Jugendlichen, die sich in der Eggerstedt-Kaserne in Pinneberg aufhalten, ist es still. Jeweils fünf Paare sitzen diszipliniert in den kahlen Räumen und starren konzentriert auf die karierten Bretter, die vor ihnen auf den Tischen liegen. Dann zieht eines der Kinder eine Figur und haut auf die Uhr neben sich – sein Gegenüber ist am Zug.

Sebastian Bierwald aus Hamburg-Langenhorn ist mit seinen elf Jahren einer der jüngsten Teilnehmer der Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaften im Schach. Trotzdem ist er schon fast ein alter Hase: Mit fünf Jahren trat er in den Schachverein seines älteren Bruders ein. „Ich habe bei einem Turnier zugeschaut und gesehen, wie er gewonnen hat, da habe ich auch Lust bekommen.“ Seit sechs Jahren trainiert Sebastian in seinem Verein „Königsspringer Hamburg“, zur Zeit anderthalb Stunden pro Woche. Abends spielt er meist noch ein oder zwei Partien mit seinem Vater.

Bei den Meisterschaften in Pinneberg sieht es für den Langenhorner bis jetzt ganz gut aus. Zwar rutschte er durch ein verlorenes Spiel vom 20. Platz am Mittwoch auf den 36. Platz ab, aber er ist weiterhin guten Mutes, sich mindestens unter den ersten 30 seiner Klasse (U11) plazieren zu können.

Hauptschiedsrichter Jürgen Jacob hat auch andere Erfahrungen mit seinen Schützlingen gemacht: „Es muß schon mal ein Kind getröstet werden, das weinend auf dem Gang steht, weil es verloren hat.“ Auch Holger Borchert, Landestrainer von Mecklenburg-Vorpommern und in Pinneberg Schiedsrichter für die älteren SpielerInnen, weiß ein Lied davon zu singen: „Gerade bei den jüngeren werden ängstliche Blicke über die Schulter zu den Eltern geworfen, ob der letzte Zug auch der richtige war.“ Wenn ein Spiel verloren ginge, müßten sich viele die Vorwürfe anhören – meist die der Väter: „Kein Wunder, daß sie dann zu weinen anfangen.“ Doch für viele sei Schachspielen ein richtiger Kick, meint Betreuer Boris Buhn.

Bei den Meisterschaften haben die SpielerInnen für ihre ersten vierzig Züge zwei Stunden Zeit, für das restliche Spiel noch einmal eine Stunde. Wer am Zug ist, wenn die Zeit abläuft, hat verloren. Man kann sich vorstellen, wie die letzten Minuten solch einer Partie aussehen. „Das gibt einen ordentlichen Adrenalinschub“, weiß Buhn.

Ob sich alle Kinder über diese Schübe freuen? Gerade unter den jüngeren finden sich Talente, die besonders von den ehrgeizigen Eltern gefördert werden. Nicht von ungefähr hat die heute elfjährige Elisabeth Pähtz aus Thüringen mit neun ihre erste WM bestritten. Ihr Vater ist Großmeister, der höchste Titel, den man im Schach erwerben kann. Ganz so weit ist Sebastian Bierwald noch nicht: Nachdem er 1995 bei den Hamburger Meisterschaften Zehnter wurde, will er sich dieses Jahr den Titel holen. Dann dürfte es mit der Ruhe vorbei sein.

Barbara Schönau

Die Meisterschaften finden noch bis morgen nachmittag statt (Eggerstedt-Str./An der Raa).

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