Bitte besucht Bernd!

■ Bernd Begemann startet seine eigene Fernsehshow „Bernd im Bademantel“ diesen Sonntag mittag

Nach erfolgreicher Moderation der Schlagernächte auf N3 plante der NDR für Bernd Begemann ja eigentlich eine trendige Show im Virtual-Reality-Look, mit schickem Kopfhörer-Mikro und so. Aber dann kam doch alles ganz anders, und vielleicht sogar noch eine Spur dem Zeitgeist voraus. Denn nun darf man gespannt sein, Bernd im Bademantel zu beobachten.

Schon der alliterative Titel kündigt an, daß es privatistisch zugeht. Zwar bestreitet der Mann aus Bad Salzuflen nur die Anfangsmonologe seiner Küchen-Talkshow im Morgenmäntelchen. Aber schon der Drehort in der verwohnt-rumpeligen Begemannschen Wohnküche im kulturellen Niemandsland (aber somit potentiell kultigen) Hamburg-Rothenburgsort sorgt für eine Atmosphäre erhöhter Intimität – und bedeutet zumindest eine Innovation in der dahindämmernden deutschen Talkshow-Szene: Die paradoxe Symbiose von Privat-Persönlichem und (öffentlich-rechtlicher) Fernseh-Anonymität.

Dabei waren für den wohnungsinternen Dreh auch alltagsrelevante Motive ausschlaggebend: „Ich wollte, daß mich endlich mal jemand besucht“. Dieser Wunsch erfüllte sich in recht intensiver Form während der Aufzeichnung der ersten drei Folgen von Bernd im Bademantel. Das NDR-Team nahm die 60 Quadratmeter-Bude fünf Tage lang in Beschlag und nötigte den moderierenden Mieter, im benachbarten Hotel zu nächtigen.

Dafür fanden dann aber auch illustre Freunde des Entertainers den Weg in die „Original Junggesellen-Höhle“. Gäste der ersten Folge sind die Hamburger „Punk-Rocker“ (Zitat Begemann) mit spackigem Schüler-Combo-Charme,Tocotronic, die zwei Songs schrabbeln dürfen und sich sonst eher wenig auskunftsfreudig rumdrucksen (Frage: „Wie bereitet ihr euch auf Aufnahmen vor?“ (Pause) Antwort: „Wir gehen in den Proberaum – (Pause) – und probieren die Stücke aus.“) So sind sie eben, die Jungens. Aber genau das will Begemann: Seine Gäste küchenmäßig „so zeigen, wie sie wirklich sind“. Eher hektisch werde es deshalb bei der zweiten Folge mit dem Super-8-Film-Kollektiv der Freien Berliner Ischen zugehen, während das „ostfriesische Kammerpop-Duo“ Ja König Ja ein „verhaltenes“ Ambiente erfordere.

Den Künstlerkollegen will der Talkmaster-Neuling zudem zu mehr Publicity verhelfen (was sich im Falle von Tocotronic wohl erübrigt hat). Neben den Lokalhelden sollen aber auch solchen des Alltags die Wonne plötzlicher Popularität ermöglicht werden. So sind zum Beispiel die Nachbarin Frau Alvarez (Begemann: „Hier ist Frau Alvarez, Leute!“) oder die ominösen „Dursun-Brüder von nebenan“ am TV-Küchentisch zu bewundern. Das Resultat: Eine „Mischung aus Offenem Kanal und Melodien für Millionen“.

Wichtig ist Begemann dabei vor allem, daß es „realistisch“ zugeht. Die Vokabel „authentisch“ ist weniger willkommen. Vielleicht aus Angst, dem Authentizitäts-Boom des Reality TV anheim zu fallen. Dabei bedient natürlich auch der betont unverfälscht-improvisierte Privat-Charakter von Bernd im Bademantel ein televisionäres „Echtheits“-Bedürfnis. Aber da man bei Begemann nicht so recht weiß, wo genau die Grenze zwischen selbstironischer Schlitzohrigkeit und gutgläubigem Biedersinn verläuft, ist es nicht unwahrscheinlich, daß er es einfach so meint, wie er es sagt: Ehrlich realistisch.

Der privatsphärige Wahrhaftigkeitsanspruch wird dabei kontrastiv unterstützt durch märchenartige Erzählsequenzen aus dem Off, in denen Hans Paetsch, Deutschlands Märchenerzählstimme Nr. 1 das Geschehen onkelhaft kommentiert. „Das hält die Sache zusammen“, findet Bernd. Andere werden von der penetranten Knarz-Stimme einfach genervt sein. Aber da der Märchenopa auch Karin und Conny, die beiden Promotion-Bediensteten des Schlagerfreunds, begeistert, hat Bernd vorläufig recht und zugleich einen Beweis für eine seiner charmeurigen Privatweisheiten: „Mach immer alles so, wie die Mädchen es sagen“. Und die werden ihn im Bademantel noch mehr lieben.

Christian Schuldt

Jeweils Sonntag, den 28. Juli und den 4. und 11. August, 12.30-13 Uhr, N3